Wassily Kandinsky, „Blauer Reiter“ und Haus in Murnau fallen mir ein, wenn ich an Gabriele Münter denke. Jetzt ist sie Protagonistin des Expressionismus im Kölner Museum Ludwig. Das Frauenportrait auf dem großen Wandplakat vor dem Eingang macht auf jeden Fall schon mal neugierig. „Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife“ ist der Titel der Ausstellung. Ich bin gespannt auf die Künstlerin und auf „Malen ohne Umschweife“. Beim Betreten der Präsentation fällt mir auf, dass die Bilder in den großen Ausstellungsräumen ziemlich klein wirken und sie sind es auch, vor allem verglichen mit den großen Bildern zum Beispiel denen von Joan Mitchell, der vor gut zwei Jahren hier eine Ausstellung gewidmet war. Vis-à-vis vom Eingang befindet sich in der Mitte der großen Wand das Portrait einer Frau mit buntem Hut, die mich herausfordernd ansieht. Aha!
Erreicht sie mich? Mal weiter schauen. An der linken Wand hängt eine Reihe von Fotografien, die die Künstlerin um das Jahr 1900 während einer längeren Amerikareise gemacht hat, Frauen in weißen Rüschenkleidern mit geschmückten Hüten oder mit Schirm, ein einsam gelegenes Haus, in jedem Falle fein komponiert. Bei weiteren Exponaten steht der Bereich Landschaft im Vordergrund. Und da stehe ich vor dem gelbem Haus in der alpinen Gegend im Örtchen Murnau. Gabriele Münter hatte es gekauft, weil es ihr samt der Umgebung ein guter Ort zum Malen schien. Auf einem See am Fuße der Berge sind vier Personen in einem Ruderboot dargestellt, drei sitzende Frauen mit Hut und ein stehender Mann mit leuchtendblauer Jacke, wie passend zur blauen Gebirgskette im Hintergrund, ein sehr schönes Bild.
Und da bin ich schon beim weiteren Punkt meiner Assoziationskette. Der Herr mit blauer Jacke im Kahn dürfte Wassily Kandinsky sein. Sie hatte ihn als Kunstlehrer einer Frauenmalschule in München kennengelernt. Zur Zeit des „Blauen Reiters“ wohnte er einige Jahre bei ihr im gelben Haus in Murnau. Zwei Bilder zeigen Kandinsky am Tisch der Wohnstube, mit grünem Vogel beim Tee und im Gespräch mit einer Frau. Ja, sie empfingen dort auch andere Künstler des Expressionismus, malten zusammen und suchten neue Wege. Kandinsky publizierte seine Schrift über das „Geistige in der Kunst“, in der er eine Befreiung von der realen Darstellung der Formen und Farben hin zur Gestaltung des „innerlich Notwendigen“ favorisierte. Da durften die Pferde blau sein.
Von den Kuratoren und dem Leiter des Münchner Lenbachhauses erfahre ich im Film dann mehr über Leben und Schaffen der Künstlerin Gabriele Münter. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges im Jahre 1914 verließ Kandinsky Deutschland und kehrte nach Russland zurück. Die Beziehung und der blaue Reiter lösten sich auf, Münter emigrierte in verschiedene Länder und kehrte später nach Murnau zurück. Die Nazizeit und den 2. Weltkrieg überstand sie unauffällig, während ihre und eine ganze Reihe von Kandinskys zurückgelassenen Werken in ihrem Hause lagerten. Zu ihrem 80. Geburtstag im Jahre 1957 schenkte sie alle Bilder einschließlich Kandinskys dem Lenbachhaus, das dadurch internationale Bedeutung bekam und sich in besonderer Weise dafür einsetzt, Münters Werk angemessen zu präsentieren. Künstlerisch ging Münter einen anderen Weg als Kandinsky, der mit seinen abstrakten Kompositionen weltberühmt wurde und als ihr Lehrer einmal gesagt haben soll, er könne ihr nichts beibringen, sie habe alles von Natur. Und da erschließt sich mir wohl der zweite Titel der Ausstellung. Gabriele Münter malte „ohne Umschweife“, wie sie die Wirklichkeit erlebte ohne darauf zu achten, ob Formen, Flächen und Farben der Wirklichkeit entsprachen. Nach kleiner Stärkung bei „Ludwig im Museum“ gehe ich noch einmal in die Ausstellung und entdecke drei Bilder, die mir besonders gut gefallen, ein Fensterblick mit Obst, Blumen und gelbem Haus, eine lesende und eine schreibende Frau.