Noch immer ist der Bereich rund um das Museum Ludwig in Köln eine Baustelle und wenn ich vor einem halben Jahr „Bauzaun goes Pop“ geschrieben habe, heißt es jetzt „Bauzaun goes Polke“. Wohin man schaut, begegnet man zwei leichtfarbig hingetupften Mädchenfiguren als Bauzaun Reproduktion von Sigmar Polkes Bild „Freundinnen“ aus dem Jahre 1966/67. Das Original ist eins der herausragenden Exponate der Ausstellung „Alibis: Sigmar Polke.Retropektive“, die zurzeit im Museum Ludwig zu sehen ist.
Hinter einem neonpinkenen Tor beginnt die Zeitreise durch mehrere Jahrzehnte eines Künstlerlebens mit unglaublicher Vielfalt von Materialien, Farben, Techniken, Medien, Motiven und Themen. Da werden im Wirtschaftswunderland der 60er kitschig bebilderte Tapeten, gemusterte Flanellbettwäsche, Vorhangstoffe und Teppiche übermalt, gerne auch mit sogenannten Sehnsuchtsmotiven wie Flamingos und Palmen und da entstehen Rasterbilder, die an Pop-Art Werke von Warhol und Lichtenstein erinnern. Die Projekte der 70er sind geprägt vom Experimentieren, auch unter Einwirkung der politischen Auseinandersetzungen, bewusstseinsverändernden Substanzen und der ständigen Suche nach neuen Materialien und Techniken. So interessierte den Künstler nach einer Australienreise zum Beispiel die Kunst der Aborigines. Er entdeckte die Veränderungen von Kompositionen und Farben bei Verwendung von chemischen Zusätzen und beim Entwickeln von Fotos, was in den 80ern und 90ern zu interessanten Ergebnissen und dem entsprechenden Attribut „Alchimist“ führte.
Nein, in eine Schublade wollte Sigmar Polke nicht, passte und passt er auch nicht. Nach dem Gang durch diese monumentale Ausstellung bleibt bei mir die faszinierende Wirkung einiger, zum Teil riesiger Werke und der Titel eines Bildes, das bereits mit diesem Text beschrieben ist: „Höhere Wesen befahlen: Rechte obere Ecke schwarz malen!“