Grundstein der Demokratie

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Am Grundstein der Demokratie – Die Revolution 1848 und der Friedhof der Märzgefallenen ist der Titel einer Ausstellung, die zur Zeit auf dem Hügel im Volkspark Friedrichshain zu sehen ist. Diese Gedenkstätte erinnert an den 18. März 1848, als die Berliner Bevölkerung in beispielloser Einigkeit um Freiheit und Demokratie kämpfte und für ein paar Tage die Militärherrschaft ihres Königs Friedrich Wilhelm IV. besiegte. Leider nur für ein paar Tage, denn als wieder Ruhe war in der Stadt, hatte der König seine Versprechungen vergessen und sorgte dann ein Jahr später mit der Ablehnung der Kaiserkrone dafür, dass die vom Volke gewählten Männer um die Früchte ihrer monatelangen Arbeit an der Reichsverfassung gebracht wurden. Das mussten die Gefallenen der Berliner Blutnacht vom 18. zum 19. März nicht mehr erleben. Doch sie haben es verdient, dass wir uns daran erinnern, wofür sie gestorben sind.

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Und selbst wenn wir nicht mit allen politischen Entwicklungen zufrieden sind, sollten wir doch täglich daran denken, dass wir das haben, was vor 165 Jahren in weiter Ferne schien, ein demokratisches Deutschland. Wie erfreulich, dass es auch nach dem Abbau der Installation den Friedhof der Märzgefallenen als Gedenkstätte an den Grundstein der Demokratie dauerhaft gibt.

Weitere Informationen zur Gedenkstätte in Friedrichshain gibt es hier:

Friedhof der Märzgefallenen

Fotos: © Renate Hupfeld (Auf dem Friedhof der Märzgefallenen, fotografiert am 19. September 2013)

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Print Reader Tablet

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Als ich mein Manuskript zur Biografie von Theodor Althaus fertig gestellt hatte, nach Jahren der Recherche, immer schwankend zwischen Aufgeben, weil ich fürchtete, mich in den komplizierten historischen Vernetzungen zu verzetteln, und Weitermachen, weil ich doch nun schon so viel über Leben und Schaffen meines Protagonisten wusste und weitergeben wollte, stand ich vor der Frage: Was mache ich nun damit?

Wie durch einen günstigen Zufall lag im Sommer 2011 ein Kindle Reader auf unserem Wohnzimmertisch, der inzwischen für erschwingliche 99 Euro zu haben war. Dazu kam, dass meine Schreibkollegin Annemarie Nikolaus plötzlich die Idee hatte, unseren in einem Forum gemeinsam erstellten Adventskalender als E-Book herauszugeben. Im September 2011 konnte ich unsere SienceFiction Leuchtende Hoffnung auf unserem Reader lesen.

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Wie macht man denn eigentlich so ein E-Book? Diese Frage beantwortete Wilhelm Ruprecht Frieling mit unglaublicher Kompetenz und erfrischendem Humor in einem Ratgeber E-Book.

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Zwei Monate später stand Theodor Althaus – Revolutionär in Deutschland im Kindle Shop zur Verfügung, mit Blick ins Buch.

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Ein Jahr später konnte ich es dann auch auf dem Tablet lesen und jetzt, zwei Jahre später, kann ich in meiner Meine E-Book Galerie neun E-Books vorstellen.

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Rasante Entwicklung, kann ich da nur sagen und warum ich das gerade heute geschrieben und publiziert habe? Weil ein Facebooknutzer namens Tim Rohrer eine Veranstaltung zum Welttag des eBooks erstellt hat und ich mit diesem Blogartikel daran teilnehme, und weil ich den 6. September zu meinem persönlichen Tag des E-Books erkläre.

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… in Gedanken berühren …

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Wer war dieser Autor, dem am 15. März 2011 für seinen Roman Sand der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen wurde, der ihn jedoch nicht persönlich entgegen nahm und beim Gespräch auf dem blauen Sofa nicht dabei war? War er wirklich zu krank oder war sein Nichterscheinen vielleicht eine Promotionstrategie? Beides war für mich möglich in dem Moment, als ich in der Glashalle zuschaute, wie der Moderatur und ein Freund des Autors versuchten, ein Gespräch über das Buch zu führen. Ratlosigkeit schwang für mich mit. Und wie betroffen, ja beschämt, war ich jetzt, als ich erfuhr, dass Wolfgang Herrndorf am 26. August 2013 in Berlin gestorben war.

Als ich dann auf sein Weblog aufmerksam wurde und begann, seine Eintragungen zu lesen, war ich nicht nur unglaublich berührt, sondern gleichzeitig geschockt und schwer beeindruckt angesichts der Sprachgewandtheit und des sprudelnden Wortwitz von Wolfgang Herrndorf. Ja, dieser Wortkünstler hatte den Preis mit Sicherheit verdient. So erschütternd es ist, zu lesen, wie ein junger Mensch plötzlich von einem Monster beherrscht wird und seine Lebensfunktionen nach und nach schwinden, so tröstend andererseits, einen bis dahin fremden Menschen sympathisch zu finden und ihm so nahe zu kommen. Da ist diese liebenswerte Art von Humor, die es einem erleichtert, die ungeheuerlichsten Gegebenheiten und fiesesten Facetten des Krankheitsverlaufes mitzuerleben. Ja, diese Leichtigkeit, die er selbst angesichts des unaufhörlich sich nähernden Todes nicht verliert. Kein Jammern, warum gerade er. Kein Hadern. Und das Monster macht es ihm verdammt schwer. Jeder muss einsehen, dass er sich aus der Öffentlichkeit zurück zieht, keine Fragen, keine Interviews. Nein, Mitleid will er nicht, Mitleid macht ihn wütend. Ganz normal soll man mit ihm umgehen. Hilfe? Klar, wenn er denn Hilfe braucht. Und das ist in zunehmendem Maße der Fall. Wenn ihm ein Wort nicht einfällt, wenn er seinen eigenen Text nicht mehr lesen kann, wenn er nicht mehr nach Hause findet. Dem fiesen Monster zum Trotz arbeitet er bis an die Grenze der Belastbarkeit weiter an seinem Wüstenroman. Und er kann Sand trotz Operationen und belastenden Therapien vollenden. Nur hat er dann kaum noch die Kraft, sich über den Erfolg zu freuen. Mit keinem Satz erwähnt er den Leipziger Preis. Viel zu intensiv ist er beschäftigt damit, seinen Alltag zu bewältigen und sein Leben selbstbestimmt weiter zu führen.

Ein Frühling und ein Sommer blieben ihm noch, als er 18. Februar 2013 schrieb:

Ich kann den heutigen Abend in Gedanken berühren. Dahinter ist nichts.

aus: Arbeit und Struktur

Wolfgang Herrndorf (*12. Juni 1965 +26. August 2013) R.I.P.

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… gegen das Monster

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Ganz still im Hintergrund war er dabei, doch zu krank, um persönlich anwesend zu sein und am 15. März 2012 den Preis der Leipziger Buchmesse entgegenzunehmen. Das Gespräch über seinen Roman Sand führte der Moderator mit einem Freund.

Jetzt hat er sich mit lautem Knall verabschiedet. Als hätte er das Monster zerstört. Der Nachwelt hinterlässt er ein Weblog, das berührender nicht sein könnte.

Danke Wolfgang Herrndorf.

R.I.P.

Weblog: Arbeit und Struktur

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Frieling fragt E-Book Autoren

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Als langjähriger Kenner des Buchmarktes gibt Ruprecht Frieling aus Autoren- und aus Verlegersicht eine umfassende Chronologie des digitalen Publizierens mit Seitenblick zu einem erfolgreichen E-Booker in Amerika und drei Kapiteln zur Entwicklung in Deutschland beginnend mit dem Geburtsjahr des Kindle über Jahr Eins nach Kindle bis zum Jahr Zwei nach Kindle.

Die fünfte Auflage seines Buches Wie man erfolgreich E-Books verkauft ist somit gleichzeitig ein Rückblick auf die Anfänge des selbstbestimmten Verlegens in Deutschland. Mit der Schaffung der Kindle Direct Publishing Plattform im Jahre 2011 wurden tausende Autoren mit einem Schlag independent. Unabhängig von Verlagskapazitäten und –programmen konnte plötzlich jeder Autor sein Manuskript ohne Klinken putzen, langes Warten und ohne großen technischen Aufwand digital publizieren. Frieling hat einige Protagonisten der deutschen E-Book-Szene befragt, denen der Sprung in die Bestsellerlisten des Kindle Shops gelungen ist. Wie erklären sie sich ihre Erfolge? Was hat sie nach oben gebracht? Waren es die sozialen Netzwerke, die Blogger oder sogar der Zufall? Alles scheint möglich im neuen Wunderland der Digitalisierung. Hanni Münzer bringt es auf den Punkt, wenn es im Inhaltsverzeichnis heißt: Das Geheimnis des Erfolges ist ein Geheimnis. Dabei scheint jedoch in einem Punkt Einigkeit zu herrschen: Wichtigste Voraussetzung ist ein gutes Buch.

Auch wenn ich mich frage, was mir erklärte oder unerklärliche Erfolgsgeschichten für meine eigenen Publikationen bringen, empfehle ich dieses Buch uneingeschränkt. Frieling bietet außer intelligent und spritzig dargestellten Einblicken in das Leben und Arbeiten einiger Top-Autoren umfassende Informationen und eine kompetente Einschätzung der Entwicklungen auf dem Buchmarkt im Zusammenhang mit der digitalen Revolution.

Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ bei mir, als Angehörige der Zielgruppe, das Gespräch mit Johannes Zum Winkel, der mit seiner Plattform xtme.de ein beachtenswertes Konzept des Buchmarketings geschaffen hat. Das von ihm gezeichnete Bild der Chart-Schaufenster, in die es ein Titel schaffen sollte, werde ich im Auge behalten. Jenseits von ausufernden Werbebemühungen in den Social Communities und fragwürdiger Rezensionsflut scheint mir seine Präsentation von ausgesuchten Büchern ein zukunftsweisender Weg zu sein, um Autoren und Leser zueinander zu bringen.

Ruprecht Frieling: Wie man erfolgreich E-Books verkauft

xtme.de

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Museum Ludwig: Be free mit Andrea Fraser

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Als ich zwei Tage vor Beginn der Ausstellung, die am 21. April 2013 im Museum Ludwig in Köln eröffnet werden sollte, zufällig einen Videoschnippsel von Andrea Fraser erwischte, war ich fasziniert von der Ausstrahlung der Künstlerin, die im kleinen Schwarzen Besuchern einer Galerie Bilder erklärte. Mit ihrer unglaublichen Präsens in Sprache, Mimik und Gestik sprang sie mich förmlich an. Gestern nun kam ich dazu, diese Ausstellung zu besuchen, die im Museum Ludwig anlässlich der Verleihung des Wolfgang-Hahn-Preises 2013 an Andrea Fraser zu sehen ist.

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Das Plakat am Treppenabgang in das Untergeschoss zeigt ein Motiv, das ich aus der Informationsbroschüre kenne. Es gehört zur Videoinstallation „Projektion“ von 2008, die ich mir später in einem dunklen Raum auf einem Höckerchen sitzend ansehe. An zwei gegenüberliegenden Wänden sitzt Andrea Fraser im großen Sessel, an der einen Wand völlig verkrampft als verunsichertes Psychiatriemäuschen und auf der anderen völlig entspannt als überlegen kompetente Therapeutin.

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Vor dem Eingang zur Ausstellung gehe ich mehrmals um einen von der Künstlerin arrangierten Haufen von knallbunt glitzernden Resten von Karnevalskostümen und -requisiten wie Kopfschmuck, Puschel, Boas, Krallen und Flügel herum. Dieses Objekt darf ich noch fotografieren und das tue ich nun von allen Seiten. Dazu passt auch das Coverfoto auf dem nebenan ausliegenden dicken Katalog, der an den Ecken schon ziemlich benutzt aussieht.

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Durch einen dichten Stoffstreifenvorhang erreiche ich nun das Allerheiligste und bin sogleich konfrontiert mit der zum großem Wandbild an der Außenseite des Museums gehörenden Performance mit dem vielsagenden Titel „Kunst muss hängen“. In weißem Hemd unter schwarzem Anzug, auf Schuhen mit Blockabsatz agiert die Künstlerin zwischen zwei an der Wand hängenden Bildern. Trinkglas in der Linken, mit der Rechten gestikulierend und cool hin- und hergehend hält sie eine Rede, die mich neugierig macht auf weitere Exponate. Ich hangele mich von Raum zu Raun, von einem dicken Vorhang zum nächsten und lasse mich von dieser faszinierenden Künstlerpersönlichkeit verzaubern. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ nicht das Video, das sie in einer Sexszene mit einem zahlenden Sammler zeigt, sondern die Performance einer weiteren Rede. „Official Welcome“ ist der Titel und zeigt Andrea Fraser in schwarzem Schlabberkleid mit gebundenem Halsband vor dem Dekolletee hinter einem weißen Stehpult. Hier darf ich sogar im weichen Sessel sitzen und in aller Ruhe die unvergleichliche Präsens ihrer gesamten Erscheinung auf mich wirken lassen. Und das ist fesselnd, auch wenn ich nicht alle Feinheiten verstehe. Nach einer ganzen Weile nestelt sie an dem Band vor dem Dekolletee, rafft das schwarze Kleid und streift es, die ganze Zeit weiter redend, über den Kopf. Nun steht sie da, die kleinen Brüste im knappsten schwarzen BH verpackt und macht weiter, stellt sich plötzlich neben das weiße Pult, sodass man auch ihr schwarzes Tangahöschen bestaunen kann, nicht nur von vorne, sondern auch den ganzen wohlgeformten Popo. Nachdem sie sich auch ohne BH und Tanga präsentiert und nackt weiter geredet hat, streift sie das Schlabberkleidchen wieder über und beendet die Rede. Ja, eigentlich nichts Besonderes in unserer Sex-sells-Welt, doch das hier ist etwas anderes. Andrea Fraser nimmt sich die Freiheit, sich unglaublich sexy zu präsentieren ohne den Anschein zu erwecken, sie wolle sich anbieten. Für mich ist das Kunst.

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Walter Jens und die literarischen Geheimberichte im Vormärz

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Wenn ich an Walter Jens denke, fällt mir sofort sein Geleitwort zu „Literarische Geheimberichte – Protokolle der Metternich-Agenten Band I – 1840 – 1843“ aus dem Jahre 1977 ein, vor allem der Inhalt der drei letzten Abschnitte:

Der Adressat, dem die Berichte der von ihm geschaffenen polizeilichen Nachrichtenstelle galten: Das ist die eine Hauptfigur, die der Leser bei der Lektüre hinzudenken sollte – Klemens Wenzel Fürst von Metternich. Er, der Kanzler, ist in jeder Zeile dieser Aufzeichnungen präsent – das unterscheidet ihn von seinen Gegenspielern, den eigentlichen – den unsichtbaren, der Imagination des Lesers bedüftigen – Protagonisten der Konfidenten-Berichte: den Opfern. Den Gefolterten, Gequälten und zum Wahnsinn Getriebenen. Den Männern vom Schlage des Pfarrer Weidig, ihr Schicksal muß man sich vor Augen halten, um die Wahrheit, die schauerliche Realität zu erkennen, die sich hinter diesen, aus der Metternich-Perspektive gelassen, ja amüsiert zu lesenden Nachrichten verbirgt.
Märtyrien à la Weidig: Ein feuchtes Kellerloch, ein stinkender nicht zu verschließender Kübel, kein Briefverkehr mit der Außenwelt, kein Schreibzeug, kein Licht, keine Möglichkeit, die eigene Frau wenigstens durchs Fenster sehen zu dürfen; kein warmes Bettzeug, keine ärztliche Hilfe. „Da mir der Feind jede Verteidigung versagt“, schrieb Weidig, nachdem er sich die Halsader durchschnitten hatte, mit seinem Blut an die Wand, „so wähle ich einen schimpflichen Tod von freien Stücken.“ Am 23. Februar 1837, morgens um acht, fand man den Gefangenen „mit einem Schlafwämmschen und Blut beflecktem Hemde bekleidet“ – und ließ ihn liegen, obwohl er noch atmete.
Zweierlei also ist hinzuzudenken bei der Lektüre dieser Berichte: der Leser in Wien und die Opfer seines Regiments. Der Kanzler und die in den Arresthäusern zu Tode Geprügelten, in geheimen Strafprozessen Verurteilten, den Inquisitions-Praktiken der Metternich-Aera Ausgelieferten – die Akteure, deren Verurteilung der alte Machinist in der Loge und seine erlauchten Kombattanten, die auf Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten bedachten Feudalherrn, verlangten.

Danke für diese Zeilen, Walter Jens.

R.I.P.

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Georges Moustaki: Ma Liberté

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Als ich am vergangenen Donnerstag erfuhr, dass Georges Moustaki gestorben war, dachte ich sofort an ein Chanson aus den Siebzigern: „Ma Liberté“. Und den ganzen Tag lang ging mir dieses Lied nicht aus dem Kopf, Erinnerungen an eine Zeit, in der wir Kinder der Nachkriegszeit mit der traumatisierten Elterngeneration zu kämpfen hatten und dennoch an ein Leben in Freiheit und Liebe glaubten. Nicht nur Georges Moustaki, doch besonders er, verkörperte unsere Zuversicht, eine friedliche Zukunft schaffen zu können.

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Zwanzig Jahre später stand Moustaki noch immer mit seiner Gitarre auf der Bühne, in schlichtem weißem Outfit, und sang diesen Song von Freiheit und Liebe mit derselben Intensität und erreichte noch immer die Herzen. So lange, bis seine Kraft zu Ende war.

Seine Botschaft bleibt unvergessen.

R.I.P. Georges Moustaki

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Berlin: Mein Tag des 18. März

Mein Tag des 18. März begann mit einem Caffè Mocha im Berliner Hauptbahnhof, bevor ich die Spree überquerte, Bundestag und Reichstag streifte und über dem Parkweg mein Ziel erreichte, den Platz vor dem Brandenburger Tor.

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„Platz des 18. März“, heißt er inzwischen. Und genau dieser 18. März war der Grund, warum ich an diesem Montag vor dem Schild stand. Um 15 Uhr sollte eine Gedenkfeier an die Berliner Revolution 1848 stattfinden.

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Vor 165 Jahren befanden sich hier und im gesamten Bereich östlich des Brandenburger Tores Barrikaden. In unbeschreiblichem Aufruhr waren sie aufgebaut worden. Heftigster Tumult herrschte in der Stadt. Die königlichen Soldaten wurden beschossen und zurück gedrängt. Alle kämpften mit, Männer, Frauen, Kinder, Greise, Arbeiter und Apotheker. Alle waren sich einig in ihrer Empörung über Ungerechtigkeiten und des Königs Militärdespotie und Ignoranz. Was war geschehen? Wenige Kilometer von hier war auf dem Schlossplatz während einer Kundgebung von König Friedrich Wilhem IV. das Fass des Unmutes übergelaufen. Die Soldaten sollten verschwinden, forderte das Volk. Doch stattdessen fielen Schüsse. In dem Moment ging der Sturm los, wurde zum Orkan und war nicht mehr aufzuhalten, die ganze Nacht hindurch, bis in der Stadt kein einziger Soldat mehr zu sehen war. Hatte das Volk gesiegt? Zunächst sah es so aus. Schwer angeschlagen, machte König Friedrich Wilhelm IV. eiligst Zugeständnisse, schwarz auf weiß dokumentiert im Schriftstück „An meine lieben Berliner!“ Am folgenden Tag ritt er, geschmückt mit schwarzrotgoldener Binde, durch die Straßen von Berlin, redete vor Studenten an der Universität und wiederum einen Tag später verneigte er sich barhäuptig vor den gefallenen Revolutionären, als 183 Särge vom Gendarmenmarkt zum Berliner Schloss getragen wurden, bevor der endlose Trauerzug sich zur Bestattung der Toten zum extra angelegten Friedhof auf einem Hügel in Friedrichshain bewegte. Allerdings vergaß der König schon bald seine Versprechen und von dem Motto „Preußen geht fortan in Deutschland auf“ war keine Rede mehr. Als Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die Kaiserkrone für ein einheitliches Deutschland ablehnte, waren die vom ganzen deutschen Volke gewählten Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung nach monatelangem Ringen um die deutsche Reichsverfassung um ihre Früchte gebracht. Ebenso die mutigen Kämpfer der blutigen Märznacht in Berlin.

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Nicht vergessen wollen die Frauen und Männer, die sich am 18. März 2013 um 15 Uhr vor einem Rednerpult versammelten, um sich gemeinsam an diesen Moment der wahren Volkssouveränität zu erinnern, der Toten von 1848 zu gedenken und darum zu kämpfen, dass dieser Tag in ganz Deutschland als nationaler Gedenktag an die Ursprünge der Demokratie gefeiert wird. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die Bürgerinitiative Aktion 18. März. Zahlreiche Unterstützer hatten sich eingefunden, verteilten die jährlich unter dem Titel „Aufruf“ erscheinende Zeitung auch an die Berlinbesucher, die zufällig hier vorbeikamen. Man las darin, studierte die Informationen auf den Schautafeln zu den Berliner Märzereignissen 1848 und las die Botschaften auf den Schleifen der Kränze, die später auf dem Friedhof der Märzgefallenen niedergelegt werden sollten.

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Volker Schröder, Sprecher der Aktion 18. März, moderierte die Veranstaltung, Bezirksbürgermeister Mitte Dr. Christian Hanke sprach Grußworte, nicht zu lange Reden hielten Wolfgang Wieland, Petra Pau, Wolfgang Börnsen, der ungarische Schriftsteller György Dalos und Walter Momper. Hans Christian Ströbele war mit dem Fahrrad gekommen. Er gehörte zwar nicht zu den Rednern, war aber als Unterstützer dabei. Unterstützt wird vor allem ein interfraktioneller Antrag, der dem Bundestag vorgelegt werden soll und der besagt: Der Deutsche Bundestag möge sich zur besonderen historischen Bedeutung des 18. März bekennen und gleichzeitig an die erste freie Volkskammerwahl am 18. März 1990 in der ehemaligen DDR erinnern und den 18. März zum nationalen Gedenktag erklären. Warum gerade den und nicht zum Beispiel den 18. Mai im Gedenken an die erste Sitzung des ersten vom Volke gewählten Parlamentes am 18. Mai 1948 in der Paulskirche? Nun, wie keine andere Aktion der politischen Willensbildung und -bekundung wurde dieses Revolutionsgeschehen in Berlin nicht von Podesten verkündet oder beschlossen, sondern sie kam direkt aus dem Volke mit einer Einigkeit und konsequenten Zielstrebigkeit durch alle Schichten und Gruppen, wie man sie woanders vergeblich sucht. Ein Gedenktag 18. März wäre bestens geeignet, die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland im Bewusstsein der Menschen lebendig zu machen.

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Homepage der Aktion 18. März

Und was hat das alles mit dem Motto meines Blogs (E-Books und mehr) zu tun ??? Nun, Mein Protagonist Theodor Althaus (1822 – 1852), dessen Lebensgeschichte ich aufgeschrieben habe, hatte in Leipzig die Nachrichten über die Berliner Revolution empfangen, sich sofort auf den Weg gemacht und kam am 20. März 1848 als Korrespondent der Bremer Weser-Zeitung in die Stadt. Über das Geschehen berichtete er im Leitartikel Die Berliner Revolution. Auch er mag, wie die Anwesenden vor dem Brandenburger Tor, das Lied „Die Gedanken sind frei“ gesungen haben, denn es war der Text von Hoffmann von Fallersleben, dem er in Jena und Berlin begegnet war. Freiheit garantierten die Gedanken jedoch nur, wenn man sie nicht äußerte. In den Wirren der Reichsverfassungskämpfe im Mai 1849 landete Theodor Althaus auf Grund eines Zeitungsartikels im Gefängnis. Er wurde nicht einmal dreißig Jahre alt.

Theodor Althaus Blog: 18. März 1848: Berlin auf den Barrikaden

Theodor Althaus Blog: Weser-Zeitung: 22. März 1848 Die Berliner Revolution

Theodor Althaus – Revolutionär in Deutschland (Taschenbuch und E-Book)

Bürgerinitiative Aktion 18. März

Weitere Fotos: Berlin am 18. März 2013

Homepage von Renate Hupfeld

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Argentinien und der Tango

Nach der Wahl von Papst Franziskus sind plötzlich meine Eindrücke vom argentinischen Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse wieder lebendig. Jenseits von Präsentationen, Diskussionen und Aktionen zog es mich immer wieder in diese Installation und ich versuche zu erklären, warum das so war:

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„… Sie könnte jetzt anfangen zu tanzen, der Mann nicht. Sein Gesicht, seine Haltung verraten, dass er traurig ist, so traurig wie der Tango, der darüber trauert, dass man sich ständig verfehlt und dass es so traurige Gestalten wie den Mann mit dem Bandoneon gibt, der sich seiner so sicher ist, weil er glaubt, dass er Bescheid weiß, dabei weiß er überhaupt nicht Bescheid …“

Dieses Zitat aus der Kürzestgeschichte des argentinischen Autors Martín Kohan, gefunden auf dem Cover der diesjährigen Buchmessenausgabe der ZEIT LITERATUR, vermittelt mir auf seltsame Weise das gleiche Gefühl, wie ich es bei der Begehung der Installation des diesjährigen Gastlandes der Frankfurter Buchmesse erlebe. Es zieht mich immer wieder hinein in die Gänge zwischen halbtransparenten Stoffbahnen, Bildern, Säulen, Mauern, Wortbändern und Tönen. Verhalten gehe ich von Botschaft zu Botschaft, verweile leicht schaukelnd auf einem fein gearbeiteten Holzsitz und lasse die Eindrücke auf mich wirken, Arrangements aus rotbraunen Felsen und Wasserfällen, bizarre Landschaften aus Eis, pulsierende Metropolen, Menschen in ihren Lebenszusammenhängen, Fußballlegende Diego Maradonna und das groß abgedruckte Konterfei von Che Guevara, so angebracht, dass es in der Ausstellung fast von jeder Position aus zu sehen ist. Sein bolivianisches Tagebuch und die olivgrüne Leinentasche haben es ebenso wie das Kleid von Evita Peron in eine Glasvitrine geschafft. Ich erlebe Vergangenheit und Gegenwart eines Landes, dessen Darstellung mich berührt und dessen Trauma auf eine unaufdringliche Weise präsent ist. Nichts erdrückt mich, sondern alles macht mich neugierig und zieht mich weiter hinein bis zu einer Mitte, wo an einer Mauer und an Stellwänden Fotos und Namen der während der Militärdiktatur Verschwundenen und der verschenkten Kinder von ermordeten Eltern zu sehen sind, die es gewagt haben, ein Unrechtsystem zu kritisieren. An dieser Stelle verspüre ich besonders stark diese eigenartige Traurigkeit wie beim Lesen des Textes von Martín Kohan, die niemanden und kein Unrecht vergisst und nicht unglücklich macht, sondern weich und offen, eine Traurigkeit, die hoffen lässt, doch einmal Bescheid zu wissen. Diese Hoffnung haben auch die Großmütter der gestohlenen Kinder nie aufgegeben, die sich seit mehr als drei Jahrzehnten jeden Donnerstag auf der Plaza de Mayo treffen, sofern sie nach all den Jahren noch dazu in der Lage sind, um gemeinsam nach den Kindern ihrer getöteten Kinder zu suchen. Bei einigen hatte die Suche Erfolg, so wie bei der Großmutter von Victoria Donda, die im Jahre 2004 ihr Enkelkind aufgrund der Ähnlichkeit mit ihrer Tochter fand. Sie hat zwar nicht ihre ermordete Tochter wieder bekommen, doch ihre Enkeltochter, als Baby an eine linientreue Familie verschenkt, ihrerseits auf der verzweifelten Suche nach ihrer wahren Identität. Victoria Donda hat ihre Geschichte aufgeschrieben und stellt das Buch „Mein Name ist Victoria“ nun am Verlagsstand auf der Buchmesse vor (siehe Foto unten!). „Die Großmütter der Plaza de Mayo haben nie aufgehört nach den restlichen Kindern zu suchen.“ steht unten auf dem Plakat mit den vielen Namen geschrieben.

Auf meiner Homepage gibt es weitere Fotos und Hinweise ► Frankfurter Buchmesse 2010

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