Vom Hauptbahnhof wandern wir einige Kilometer entlang der Argentinierstraße bis zur Karlskirche. Nach Kaffeepause bei Bäckerei Ströck im Karlsplatz U-Bahn Tunnel ist es nicht weit bis zum Stephansplatz und Kirche, deren Turm ich nur mit Mühe aufs Foto bekomme, der Stephansdom. Wir sind also mitten drin in der Wiener City und finden schon bald die Salztorgasse und -brücke über den Donaukanal und direkt zum Hoteleingang. Das ist schön zentral und mit WLAN, sodass wir in aller Ruhe für unser Abendessen recherchieren können. Veggiez in der Salzgries wird es dann, nur ein Katzensprung entfernt, Bowls, Burger, Salate, alles vegan.
Anschließend noch ein Gängelchen durch die adventlich beleuchtete City, Peterskirche, Hofburg, Heldenplatz und auf einem Plakat den Hinweis auf die Ausstellung „Deutscher Expressionismus“ im Leopold Museum entdecken. Auf dem Rückweg nehmen wir beim Spar Supermarkt noch ein paar Sweeties mit und planen im Hotel für den folgenden Tag den Besuch im Wiener Museumsquartier.
Auf dem Weg dahin kehren wir zum Frühstück ein bei Simply Raw Bakery in der Drahtgasse, queren Hofburg und Heldenplatz, wo gerade eine Bauerndemo stattfindet „Die Almen werden von uns gepflegt, damit das Wandern leichter geht“ und gehen zum Leopold Museum. Vier Ausstellungen werden angezeigt. Nach Macke in Arnsberg und „Blauer Reiter“ mit Kandinsky und Münter in München entscheiden wir uns erst einmal für die Expressionismus Sammlungen von Gabriele und Anna Braglia aus Lugano und der Renate und Friedrich Johenning Stiftung aus Düsseldorf. Das als Wandtext vorangestellte Zitat von Franz Marc aus dem Jahre 1912 trifft es gut: „Denn alles, was an künstlerischen Dingen von wahrheitsliebenden Geistern geschaffen ist, ohne Rücksicht auf die konventionelle Außenseite des Werkes, bleibt für alle Zeiten echt.“ Was in diesen Räumen außer Werken von Macke, Münter, Kandinsky präsentiert wird, ist farbrauschend und atemberaubend. Paul Klee, Emil Nolde, Lionel Feininger und viele mehr. Meine besonderen Entdeckungen sind Alexej Jawlensky auf dem Weg zur Abstraktion und vor allem Marianne Werefkin, die so ein unglaubliches Werk geschaffen hat wie „Das Duell“.
Die Räume „Wien 1900“ und „Richard Gerstl“ hätten mehr Aufmerksamkeit verdient, ebenfalls die Meisterwerke von Egon Schiele und Gustav Klimt aus der Sammlung Leopold. „Tod und Leben“ des Wiener Jugendstil-Künstlers Gustav Klimt hält mich eine Weile gefangen. Die für ihn typischen Gestaltungselemente wie fließende Linienführung und geometrische Ornamente mosaikartig angeordnet in hellleuchtenden Farben sind mir im Wiener Stadtbild bereits in Schaufenstern begegnet. Was mich an diesem Bild beschäftigt, ist diese besondere Atmosphäre durch die Gegenüberstellung der dunkelgehaltenen Todesfigur und der geschlossenen Fläche mit den farbenfroh dargestellten Menschen in verschiedenen Lebensphasen. An dem Werk soll Klimt in den Jahren zwischen 1911 und 1916 gearbeitet und immer wieder Änderungen vorgenommen haben.
Auf dem Rückweg gibt’s noch einen kurzen Bummel über den Weihnachtsmarkt am Rathaus, dann vorbei am Schottentor bis zum Donaukanal, der ja eigentlich ein Seitenarm der Donau ist, sozusagen die Donau in der inneren Stadt. Die erreichen wir an der Augartenbrücke und nehmen die mit schönen Graffitis gestaltete Uferpromenade bis zur Salztorbrücke, um uns dann im Hotel schon mal auf das Abendessen zu freuen. Wohin? Wieder zu Veggiez im Salzgries, großer Salat und Quinoabowls. Nach der Stärkung lockt uns der Prater, Wiener Attraktion, die wir unbedingt erleben sollen, auf der östlichen Donaukanalseite fußläufig erreichbar. Dieses Stück Ufer scheint mir eine wahre Kunstmeile zu sein, was selbst in der Dunkelheit gut zu erkennen ist.
„The Flow“ nahe der Schwedenbrücke gefällt mir besonders gut. Und das Panorama des gegenüberliegenden Ufers mit vielen Lichtern, die sich im Wasser spiegeln, macht diesen Abendgang so richtig schön. Wir sind hier zurzeit die einzigen Spaziergänger, wohl normal für Ende November, zumal seit ein paar Tagen allerlei Weihnachtsmärkte die Menschen in die City locken. Wir unterqueren noch die Aspernbrücke und verlassen bei der Franzensbrücke den Donaukanal. Ein paar Straßen und ein Park, dann sind wir am Ziel. Auch der Prater hat schon belebtere Zeiten gesehen, doch verweilen einige Leute bei Livemusik vor der Bühne, Winterprogramm für den Prater, und das berühmte Riesenrad bewegt sich, wenn auch ganz langsam. Schön gemütlich bummeln wir über den ganzen Platz. Ab und zu bewegt sich mal ein Fahrgeschäft, Musik ist verhalten, trotzdem schön hier.
Am nächsten Tag gibt’s Frühstück in der Brasserie Mae Aurel, Avocadobrot mit rote Beete Hummus und Granatapfelkernen, schön bunt und sehr lecker. Unser heutiges Ziel ist das Hundertwasserhaus. Es befindet sich östlich der City im Stadtteil Wien Mitte, über Park und Gräfte hinweg gut zu Fuß zu erreichen. Und da stehe ich plötzlich vor diesem berühmten bunten Gebäude und finde keinen vernünftigen Platz, um es zu fotografieren. Warum? Auto an Auto in der schmalen Straße, also in Wien genauso wie in vielen anderen Städten. Schnell abdrücken und hinüber in die Gasse mit hügelartiger Pflasterung. Okay, das passt doch zum Bild das ich von Werken dieses Künstlers habe, fließende Linien, geometrische Ornamente, spiralförmig angeordnet, etwas verwirrend vielleicht, aber faszinierend.
Einige Straßen weiter befindet sich das Museum Hundertwasser und da wandern wir jetzt hin. In der dicht bebauten Straße finden wir es leicht, man erkennt es sofort an der Gestaltung. Nicht schwindlig werden beim Hereingehen, denn alles ist schwebend in Bewegung, unebene Böden, gebogene Wände, nichts scheint gerade zu sein, Böden, auch die Wendeltreppen nach den Vorstellungen des Meisters gestaltet. Dem begegnen wir dann gleich im ersten Raum der Ausstellung. Friedensreich Hundertwasser unter einem Baum in Neuseeland im Einklang mit der Natur. Diesem Prinzip hat er wohl sein gesamtes Schaffen gewidme. Auf zwei Ausstellungsebenen können wir seine herausragenden Werke in den Bereichen Malerei, Architektur und Ökologie. Schöne Farben, Formen und ganz viel Grün, Augenschmaus vom ersten bis zum letzten Bild, mit angenehmer Unterbrechung bei der persönlichen Begegnung des großen Wiener Künstlers in einem kleinen Raum beim Peter Schamonis Film „Regentag“ aus dem Jahre 1972, überzeugendes und berührendes Portrait dieses großen Künstlers. Erholung gibt’s im Museumscafé bei mauretanischer Linsensuppe und abschließendem Rundgang durch den kleinen Tempel des Merchandising.
Auf dem Rückweg schauen wir mal ins Haus der Musik, schaffen aber nur noch die Vorstellung der Bereiche auf dem Videodisplay von Instrumenten über große Meister zu musikalischen Aktivitäten. Zum Abendessen wieder Veggiez und Frühstück am nächsten Morgen in der Bäckerei neben dem Hotel, dann nix wie durch die City zum Karlsplatz, bei Ströck vegane Teilchen für unterwegs kaufen, Karlskirche fotografieren und flugs die Argentinierstraße entlang zum Wiener Hauptbahnhof.
Wien am 27., 28., 29. und 30. November 2019