Mein Tag des 18. März begann mit einem Caffè Mocha im Berliner Hauptbahnhof, bevor ich die Spree überquerte, Bundestag und Reichstag streifte und über dem Parkweg mein Ziel erreichte, den Platz vor dem Brandenburger Tor.
„Platz des 18. März“, heißt er inzwischen. Und genau dieser 18. März war der Grund, warum ich an diesem Montag vor dem Schild stand. Um 15 Uhr sollte eine Gedenkfeier an die Berliner Revolution 1848 stattfinden.
Vor 165 Jahren befanden sich hier und im gesamten Bereich östlich des Brandenburger Tores Barrikaden. In unbeschreiblichem Aufruhr waren sie aufgebaut worden. Heftigster Tumult herrschte in der Stadt. Die königlichen Soldaten wurden beschossen und zurück gedrängt. Alle kämpften mit, Männer, Frauen, Kinder, Greise, Arbeiter und Apotheker. Alle waren sich einig in ihrer Empörung über Ungerechtigkeiten und des Königs Militärdespotie und Ignoranz. Was war geschehen? Wenige Kilometer von hier war auf dem Schlossplatz während einer Kundgebung von König Friedrich Wilhem IV. das Fass des Unmutes übergelaufen. Die Soldaten sollten verschwinden, forderte das Volk. Doch stattdessen fielen Schüsse. In dem Moment ging der Sturm los, wurde zum Orkan und war nicht mehr aufzuhalten, die ganze Nacht hindurch, bis in der Stadt kein einziger Soldat mehr zu sehen war. Hatte das Volk gesiegt? Zunächst sah es so aus. Schwer angeschlagen, machte König Friedrich Wilhelm IV. eiligst Zugeständnisse, schwarz auf weiß dokumentiert im Schriftstück „An meine lieben Berliner!“ Am folgenden Tag ritt er, geschmückt mit schwarzrotgoldener Binde, durch die Straßen von Berlin, redete vor Studenten an der Universität und wiederum einen Tag später verneigte er sich barhäuptig vor den gefallenen Revolutionären, als 183 Särge vom Gendarmenmarkt zum Berliner Schloss getragen wurden, bevor der endlose Trauerzug sich zur Bestattung der Toten zum extra angelegten Friedhof auf einem Hügel in Friedrichshain bewegte. Allerdings vergaß der König schon bald seine Versprechen und von dem Motto „Preußen geht fortan in Deutschland auf“ war keine Rede mehr. Als Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die Kaiserkrone für ein einheitliches Deutschland ablehnte, waren die vom ganzen deutschen Volke gewählten Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung nach monatelangem Ringen um die deutsche Reichsverfassung um ihre Früchte gebracht. Ebenso die mutigen Kämpfer der blutigen Märznacht in Berlin.
Nicht vergessen wollen die Frauen und Männer, die sich am 18. März 2013 um 15 Uhr vor einem Rednerpult versammelten, um sich gemeinsam an diesen Moment der wahren Volkssouveränität zu erinnern, der Toten von 1848 zu gedenken und darum zu kämpfen, dass dieser Tag in ganz Deutschland als nationaler Gedenktag an die Ursprünge der Demokratie gefeiert wird. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die Bürgerinitiative Aktion 18. März. Zahlreiche Unterstützer hatten sich eingefunden, verteilten die jährlich unter dem Titel „Aufruf“ erscheinende Zeitung auch an die Berlinbesucher, die zufällig hier vorbeikamen. Man las darin, studierte die Informationen auf den Schautafeln zu den Berliner Märzereignissen 1848 und las die Botschaften auf den Schleifen der Kränze, die später auf dem Friedhof der Märzgefallenen niedergelegt werden sollten.
© Ralph Bauer
Volker Schröder, Sprecher der Aktion 18. März, moderierte die Veranstaltung, Bezirksbürgermeister Mitte Dr. Christian Hanke sprach Grußworte, nicht zu lange Reden hielten Wolfgang Wieland, Petra Pau, Wolfgang Börnsen, der ungarische Schriftsteller György Dalos und Walter Momper. Hans Christian Ströbele war mit dem Fahrrad gekommen. Er gehörte zwar nicht zu den Rednern, war aber als Unterstützer dabei. Unterstützt wird vor allem ein interfraktioneller Antrag, der dem Bundestag vorgelegt werden soll und der besagt: Der Deutsche Bundestag möge sich zur besonderen historischen Bedeutung des 18. März bekennen und gleichzeitig an die erste freie Volkskammerwahl am 18. März 1990 in der ehemaligen DDR erinnern und den 18. März zum nationalen Gedenktag erklären. Warum gerade den und nicht zum Beispiel den 18. Mai im Gedenken an die erste Sitzung des ersten vom Volke gewählten Parlamentes am 18. Mai 1948 in der Paulskirche? Nun, wie keine andere Aktion der politischen Willensbildung und -bekundung wurde dieses Revolutionsgeschehen in Berlin nicht von Podesten verkündet oder beschlossen, sondern sie kam direkt aus dem Volke mit einer Einigkeit und konsequenten Zielstrebigkeit durch alle Schichten und Gruppen, wie man sie woanders vergeblich sucht. Ein Gedenktag 18. März wäre bestens geeignet, die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland im Bewusstsein der Menschen lebendig zu machen.
Und was hat das alles mit dem Motto meines Blogs (E-Books und mehr) zu tun ??? Nun, Mein Protagonist Theodor Althaus (1822 – 1852), dessen Lebensgeschichte ich aufgeschrieben habe, hatte in Leipzig die Nachrichten über die Berliner Revolution empfangen, sich sofort auf den Weg gemacht und kam am 20. März 1848 als Korrespondent der Bremer Weser-Zeitung in die Stadt. Über das Geschehen berichtete er im Leitartikel Die Berliner Revolution. Auch er mag, wie die Anwesenden vor dem Brandenburger Tor, das Lied „Die Gedanken sind frei“ gesungen haben, denn es war der Text von Hoffmann von Fallersleben, dem er in Jena und Berlin begegnet war. Freiheit garantierten die Gedanken jedoch nur, wenn man sie nicht äußerte. In den Wirren der Reichsverfassungskämpfe im Mai 1849 landete Theodor Althaus auf Grund eines Zeitungsartikels im Gefängnis. Er wurde nicht einmal dreißig Jahre alt.
Theodor Althaus Blog: 18. März 1848: Berlin auf den Barrikaden
Theodor Althaus Blog: Weser-Zeitung: 22. März 1848 Die Berliner Revolution
Theodor Althaus – Revolutionär in Deutschland (Taschenbuch und E-Book)
Bürgerinitiative Aktion 18. März