Das soll Kunst sein? Ich stehe im obersten Stockwerk des Pariser Centre Pompidou im ersten Raum der Restrospektive des berühmten Gerhard Richter und betrachte fünf große Wandbilder. Wolken und Meer in grau, weiß, blau. Wolken und Meer, Meer und Wolken, sonst nichts. Fotografiert? Gemalt? Ich kann es nicht erkennen. Egal. Die Bilder haben was, sie gefallen mir. Das war im Sommer 2012 zum 80. Geburtstag des Künstlers.
Im Februar 2017 folgt meine zweite Begegnung mit Werken dieses Künstlers. Das Museum Ludwig in Köln präsentiert zu seinem 85. Geburtstag die Ausstellung „Gerhard Richter. Neue Bilder“, allesamt Werke aus dem Jahre 2016, von ihm selbst arrangiert und präsentiert im langen Gang im Obergeschoss. Den betrete ich nicht ohne Selfieblick auf die elf Glasscheiben am Eingang, eins der vielen im Besitz des Museums Ludwig befindlichen Objekte des Kölner Künstlers. Ein Reigen von 26 abstrakten Gemälden wartet auf mich und ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst schauen soll bei dieser Vielfalt von Meisterwerken zum Teil in großem, zum Teil in kleinem Format und vor allem in voller Schönheit. Ja, die Bilder sind durchweg schön in leuchtenden Farben, feiner Komposition und der besonderen Technik von Gerhard Richter. Da wird eine dicke Schicht Farbe aufgetragen, noch eine und noch eine, gespachtelt, gerakelt, verwischt, gekratzt, immer wieder, so lange, bis den Meister „nichts mehr stört“, wie ich in Corinna Belz bemerkenswertem Film „Gerhard Richter Painting“ erfahren habe. Einen Titel hat keines der Bilder, bei jedem heißt es „Abstraktes Bild“, versehen jeweils mit einer Nummer. Einige sind in Serie entstanden, denn der Künstler arbeitet gerne gleichzeitig an mehreren Bildern. Die haben dann dieselbe Seriennummer, jeweils mit einer laufenden Nummer, beispielsweise [945-1], [945-2]… Was sich der Künstler dabei gedacht hat? Gar nichts. „Malen ist eine andere Form des Denkens“, erklärte schon der junge Richter um die Mitte der Sechziger, nachdem er die DDR verlassen und in Düsseldorf neue Wege des künstlerischen Schaffens gefunden hatte. Das Ergebnis seiner Arbeit ist mehr oder weniger Zufall, so mag es der Meister. Und das ist vielleicht der Grund dieser seltsamen Distanz, die ich beim Betrachten der schönen neuen Bilder empfinde.
Beim Rundgang durch den Raum der museumseigenen „wegweisenden Werke“ schaue ich auf ein halbes Jahrhundert künstlerisches Schaffen von Gerhard Richter zurück und kann nicht umhin, mich faszinieren zu lassen von der wunderschönen „Ema“ die Treppe hinuntersteigend, den fünf verschieden weit geöffneten Türen und natürlich einem Bild mit Meer und Wolken, wenn auch im kleinen Format.