Es hätte auch anders kommen können…

Pressekonferenz mit Günter Schabowski am 9. November 1989

Die Ausstellung „Roads not Taken. Oder es hätte auch anders kommen können“ im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums in Berlin lädt ein zur Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn bei bestimmten historischen Ereignissen Entscheidungen oder Gegebenheiten andere gewesen wären. Erste Station ist der 9. November 1989 in Berlin. Wegen Massenauswanderung in den Westen hatte die DDR Führung große Probleme mit der Sicherung der Grenzen.

Man dachte über einen politischen Wandel nach dem Vorbild von Gorbatschows Perestrojka nach, unter anderem an eine Lockerung der Reisebestimmungen. Dazu läuft in der Ausstellung die berühmt gewordene Pressekonferenz des Zentralkommitees der SED mit Regierungssprecher Günter Schabowski, der auf die Frage eines Medienvertreters, wann die neuen Regelungen in Kraft treten, antwortet: „sofort, unverzüglich“.

Die brutale militärische Gewalt auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking im Gegensatz zur friedlichen Feier auf der Berliner Mauer

Dieser Moment ist wahrhaft historisch, denn in den darauffolgenden Stunden strömten tausende Menschen über die Grenzübergänge von Ost- nach Westberlin. Die ganze Nacht hindurch wurde gefeiert und schließlich standen die Menschen miteinander auf der Mauer. Das hätte auch anders kommen können, beispielsweise wie in Peking, wo im Frühjahr 1989 hunderttausende Studenten und Menschen aus der Bevölkerung friedlich für Demokratie und Pressefreiheit demonstrierten und die chinesische Regierung mit brutaler Gewalt ein Massaker veranstaltete.

Ein weiteres historisches Geschehen führt uns ein paar Jahrzehnte zurück in das Frühjahr 1945. Der vom deutschen Diktator entfesselte Krieg in Europa und der Welt wütete bereits seit sechs Jahren und hatte unfassbare Zerstörung und viele Millionen Tote gefordert. Weil Deutschland nicht kapitulieren wollte, starteten die Alliierten (USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion) Offensiven auf das Reichsgebiet, um die deutsche Führung militärisch zu bezwingen.

Im Sommer 1944 landeten alliierte Truppen in der Normandie und rückten langsam nach Westen vor bis zum Rhein. Die deutsche Wehrmacht hatte allerdings viele Rheinbrücken zerstört. So rechnete die amerikanische Regierung damit, dass der Krieg noch lange dauern würde und dachte darüber nach, ihn schnell zu beenden mit dem Abwurf einer Atombombe über Berlin oder Ludwigshafen.

Da fiel den Amerikanern wider Erwarten im März 1945 die Brücke von Remagen in die Hände. Sie hatte einem Sprengversuch der deutschen Wehrmacht standgehalten. So konnten amerikanische Truppen weiter vorrücken. Zwei Monate später, im Mai 1945, war der zweite Weltkrieg beendet. Wenn die Sprengung der Brücke von Remagen gelungen wäre, hätten deutsche Städte möglicherweise ein ähnliches Schicksal erlitten wie Hiroshima und Nagasaki.

Verfassung gebende Versammlung in der Frankfurter Paulskirche von Mai 1848 bis März 1849

Das Jahr 1849 war ein besonderes Jahr. Die Nationalversammlung mit Delegierten aus allen deutschen Ländern hatte in der Frankfurter Paulskirche eine Verfassung für ganz Deutschland erarbeitet. Vorgesehen war ein Bundesstaat mit einem Parlament, einem Heer und einer Vertretung nach außen. In das sogenannte Volkshaus würden die Vertreter aus dem Volke gewählt. Im Staatenhaus würden die Belange und Interessen der einzelnen Länder durch deren Deputierte vertreten.

Das Militär sollte auf die Reichsverfassung vereidigt werden und an der Spitze des deutschen Reiches sollte ein von der Versammlung gewählter erblicher Monarch stehen, mit einem einem aufschiebenden Vetorecht. Das Frankfurter Parlament hatte seine Sache wirklich gut gemacht und war im Ziel angekommen, nach einem Jahr engagierter und mühevoller Arbeit an Inhalten und Gesetzestexten.

Die Route der Kaiserdeputation von Frankfurt nach Berlin

Jetzt musste die Reichsverfassung noch in politisches Handeln umgesetzt werden, es fehlte noch das Reichsoberhaupt. Auch dafür hatten die Männer von Frankfurt alles vorbereitet. Die Versammlung hatte den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Kaiser der Deutschen gewählt. Das Ergebnis der Wahl war begleitet vom Glockengeläute im Turm der Frankfurter Paulskirche und anschließendem Kanonendonner öffentlich bekannt gegeben worden.

Mit der Eisenbahn durch die deutschen Länder nach Berlin

Der Gewählte musste jetzt die Wahl annehmen. Eine Delegation von 32 Mitgliedern, die Kaiserdeputation, machte sich am 30. März 1849 per Schiff und Eisenbahn auf den Weg von Frankfurt nach Berlin, um König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anzutragen. Man hoffte, der erwählte Monarch würde seine Vorbehalte gegen eine Krone aus der Hand von Volksvertretern ablegen und sich an seine Versprechungen halten, die deutsche Sache zu schützen und zu unterstützen.

Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen

In Köln, Düsseldorf, Hannover, Braunschweig, Magdeburg machten die Männer Station, redeten mit vielen Menschen und wurden am 3. April 1849 im Berliner Schloss mit allen Ehren vom preußischen König empfangen. Man hoffte auf die Hochherzigkeit des Monarchen und vertraute darauf, dass er in diesem großen Moment der deutschen Geschichte die nationale Sache mittragen würde, zumal große Teile der Bevölkerung hinter der demokratischen Verfassung standen.

Friedrich Wilhelm IV. ließ sich vom Sprecher der Delegation das Anliegen vortragen, einen Druck des Verfassungswerkes überreichen und lehnte die Kaiserkrone aus den Händen von gewählten Vertretern des deutschen Volkes ab. Die darauf folgenden Kämpfe um die Reichsverfassung wurden blutig niedergeschlagen und endeten für viele Protagonisten der Demokratiebewegung im Gefängnis oder im Exil.

Kaiserdeputation 1849 (Bericht von Karl Biedermann, er war dabei)

Es hätte auch anders kommen können, wenn…
…am 9. November 1989 in Berlin das Militär eingeschritten wäre
…im März 1945 die Brücke von Remagen bereits gesprengt gewesen wäre
…am 3. April 1849 König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone angenommen hätte

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