Klassik und Bauhaus in Weimar

Zwei Tage Weimar heißt auf historischen Spuren unterwegs sein. Schon auf dem Weg vom Leonardo Hotel an der Belvederer Allee durch den Park an der Ilm zur Altstadt entdecken wir das Haus am Horn, eins der ersten Bauhäuser überhaupt. Bauhaus, eine ganz besondere Schule, im Jahre 1919 in Weimar gegründet und zum 100. Geburtstag ein schönes neues Museum bekommen. Das schauen wir uns morgen an.

Jetzt erst einmal weiter schnuppern und nach ein paar hundert Metern stehen wir vor Goethes Gartenhaus, coronabedingt zurzeit geschlossen. In der Nähe von Amaliabibliothek und Stadtschloss thront Alexander Puschkin auf einer Säule und auf der Suche nach einem schattigen Plätzchen sitzen wir ein paar Minuten später auf einer Bank am Frauenplan und beobachten die Kutschenszene vor Goethes Wohnhaus. Goethe und Schiller.

Auch der wohnte einige Jahre in Weimar und beide Genies stehen auf dem Theaterplatz vor dem Nationaltheater, in dem im Jahre 1919 die „Weimarer Verfassung“ erarbeitet wurde. Bevor wir uns bei 36 Pho Co in der Kaufstraße an vietnamesischen Sommerrollen und Burger „Duft der grünen Papaya“ erfreuen, schauen wir uns noch Schillers Wohnhaus an und Johann Gottfried Herder vor der Stadtkirche St. Peter und Paul. Auf dem Rückweg im Park an der Ilm gibt es im Vorübergehen das römische Haus und ein paar hundert Meter weiter den Komponisten Franz Liszt mitten in einem steinernen Rund unter Bäumen.

Dass es am nächsten Tag regnet, ist nicht so schlimm, weil doch das Bauhaus Museum auf dem Plan steht. Das Bauhaus war eine Schule für Architektur und Design. Und da passt auch schon das Gebäude, das zum 100. Bauhaus Jubiläum neu erbaut wurde, ein schlichter heller Kubus. Schnüsslappen anlegen und hinein geht’s. Am Eingang zieht gleich eine Installation hoch oben an Decke meinen Blick an, „Vision einer schwebenden Stadt der Zukunft“ von Tomás Seracano. Passt irgendwie auch. Die Bauhaus+ App hatten wir uns schon vorher auf das Handy geladen, müssen also jetzt nur noch Tickets kaufen, Jacke und Schirm im Schließfach verstauen und hören, wohin die App uns führt. Mit dem Fahrstuhl fahren sollen wir, gehen aber jetzt zu Coronazeiten lieber die Treppe hoch in das 1. Obergeschoss, freuen uns doch, dass das Museum überhaupt wieder geöffnet hat und wir hinein gekommen sind.

„Der neue Mensch“ ist das Motto des ersten Raumes. In Leuchtkästen sind viele verschiedene Darstellungen von Menschen aus der Zeit zu sehen. „Der Distelseher“ von Peter Röhl wird in der App besonders erläutert als „Zusammenstoß des natürlichen und mechanischen Menschen in Weimar im Jahre 1922“. Der Mensch mit der Distel in der Hand steht einer Maschine gegenüber. Wie bekommt er Natur und Technik unter einen Hut?

Bezogen auf die Zeit heißt das: Wie sollte es weiter gehen nach den Schrecken und Zerstörungen im ersten Weltkrieg? Wer war überhaupt noch da? Es war, als müsste man den Menschen neu definieren und neue Wege für sein Leben finden. Wege, die man sich leisten konnte, denn viele Menschen waren arm. Das bedeutete, fest gefügte Strukturen verlassen und alles ganz neu betrachten. „Experiment“ ist das Motto des zweiten Raumes in diesem Stockwerk.

Die Chance auf Neubeginn wollte Walter Gropius nutzen, als er im Jahre 1919 die Bauhaus Schule in Weimar gründete. Sie sollte ein Ort werden, in dem sich alle Bereiche des Lebens und Schaffens nebeneinander entwickeln konnten und mit Holz, Metall, Glas, Gewebe, Papier und Pinsel experimentiert wurde. Einer der ersten Meister, die Gropius an das Bauhaus holte, war Lionel Feininger, dessen bekanntes Motiv der Dorfkirche des nahegelegenen Gelmeroda mit dem Titel „Gelmeroda XI“ an der Gemäldewand zu sehen ist.

Feininger übernahm die grafische Druckwerkstatt und lieferte die Linoldrucke für die erste Veröffentlichung der neuen Schule. Später kam auch Wassily Kandinsky nach Weimar, der seine ganz besondere Sichtweise von Farben lehrte, indem er sie geometrischen Formen zuordnete. So sah er den Kreis blau, das Dreieck gelb und das Viereck rot. Die ausgestellte Kinderwiege aus der Holzwerkstatt entspricht diesem Prinzip.

„Neuer Alltag“ ist das Motto in einem Raum im 2. Stockwerk. Die Bauhäusler planten und bauten außer Häusern auch das Interieur. Einige Beispiele sind in der Ausstellung zu sehen wie Küche und Kinderzimmer im Baukastensystem, funktionell und zeitlos. Ebenso Möbel wie der leichte Lattenstuhl und der Freischwinger aus Stahlrohr, auf dem ich in einer Ecke mal probesitzen darf.

Und was wären Häuser, Räume und Möbel ohne Assessoires? Da gibt es Geschirr, Kännchen, Kaffeemaschinen und Lampen. Besonders auf einen Klassiker aus Metall und Glas wird in der App hingewiesen, die so genannte Wagenfeld Lampe. Ein weiterer Bereich auf dieser Ebene präsentiert die Theaterwerkstatt von Oskar Schlemmer als Videoinstallation seines „Triadischen Balletts“ mit skurrilen Bewegungen und Kostümen.

Die oberste Ebene ist Walter Gropius und seinen zwei Nachfolgern in Dessau und Berlin gewidmet. Was bleibt? Bevor die Schule nach Dessau übersiedelte und Gropius die Schuleitung übergab, verstaute er eine ausgewählte Sammlung von Exponaten in Kisten, die im Weimarer Schloss die NS Zeit sicher überstanden. Möbel, Geschirr und Lampen aus sieben Bauhaus Jahren sind jetzt hier in langen Vitrinen zu sehen.

Folkwang, Bauhaus, Feininger

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