Wenn man nachmittags nach vier Uhr vom Bahnhof Deutz oder vom Fußweg auf der Hohenzollernbrücke kommend entlang des Jugendgästehauses durch den Hans-Lommerzheim-Weg geht, sieht man in der Siegesstraße ein kleines Häuschen mit verwitterter Fassade und dem uralten Schriftzug „Gaststätte“. Zu jeder Jahreszeit befindet sich dort täglich, außer dienstags, eine Traube Menschen, die darauf warten, eingelassen zu werden. Und das passiert ohne Rücksicht auf Wind und Wetter um Punkt sechzehn Uhr dreißig, keine Sekunde früher. Nach dem Öffnen wollen alle Wartenden gleichzeitig in den Gastraum, um ein Plätzchen an einem Tisch zu ergattern. Wem das nicht gelingt, der stellt sich geduldig an die Theke. Alle kommen rein und alle sind willkommen. Der Köbes geht bereits mit gefülltem Gläserkranz herum und stellt vor jeden Gast ein Kölsch, Kölschstange nennt man dieses zylinderförmige hohe Glas auch, und macht einen Strich auf den Bierdeckel. Die leeren Gläser werden ohne Worte durch frisch gefüllte ersetzt. Wenn bei den Gästen erst einmal der große Durst befriedigt ist, kommen die Sachen aus der Küche, dicke Koteletts mit Zwiebeln, Frikadellen und Bratwürste mit Röggelchen oder Pommes, dazu Ketschup, Majo, Senf. Wenn man nur Pommes und eine Gewürzgurke bestellt, ist das auch okay. Alles ist gut. Man will sich ja vor allem mit seinen Fründen treffen und quatschen, was das Zeug hält, alle gleichzeitig natürlich, der Geräuschpegel ist entsprechend. Und weil es im Gastraum so eng ist, rückt man immer mehr zusammen und kommt unwillkürlich mit den Gästen an den Nachbartischen und vor dem Tresen ins Gespräch. Reden, lachen, sich freuen, dass man dabei ist.
Über dieser ganzen Szenerie steht Hans Lommerzheim, der Urheber dieser Kultkneipe, oder besser gesagt, er hängt in Öl gemalt an der Wand und macht das, was er wohl zu seinen Lebzeiten unzählige Male hier in diesem Raum gemacht hat: er zapft eine Reihe Kölsch. Das hat er im Jahre 2005 zuletzt gemacht und sich in den Ruhestand verabschiedet, den er aber nicht lange überlebte. Drei Jahre später wurde das Lokal von einer Brauerei gekauft, unter Beibehaltung der verwitterten Fassade und des nostalgischen Ambiente renoviert und erlebt als Kultkneipe täglich diesen Ansturm. Der unverfälschte Charme der Vergangenheit ist ein Grund, warum das Lommi noch immer so kultig ist. Ein anderer wird am besten in einer Anekdote aus dem Jahre 1999 deutlich: Während eines Gipfeltreffens in Köln wollte der amerikanische Präsident Bill Clinton im angesagten Lommerzheim in Deutz einkehren. Aus Sicherheitsgründen hätte man allerdings das Lokal für die Öffentlichkeit schließen müssen. Lommis kurzes Statement dazu: „Dann müsste ich ja alle meine Stammgäste raussetzen. Nä, dat jeiht nit!“
* Röggelchen nennt man die typisch Kölner doppeltgebackenen Brötchen
* Fründe ist das Kölsche Wort für Freunde
Fotos: (C)Renate Hupfeld am 17. Dezember 2014