In der U-Bahn Station der 42nd Street in New York sitzt ein Mann mit Gitarre. Er hält sie im Arm, beugt sich hinunter zu den Saiten und spielt. Eine Bahn braust herein auf das linke Gleis, unmittelbar danach eine zweite auf das rechte Gleis. Da ist nur noch Lärm. Eins von vielen Bildern, die ich aus Patrick Shens Film „Zeit für Stille“ mitnehme, die stark befahrene Straße direkt neben den Unterrichtsräumen einer Schule, das Flugzeug im Landeanflug über dem Dach eines Wohnhauses, das Volksfest in der indischen Metropole Mumbai, dagegen die Schweigeminute mit tausenden Schweigern, die Baumgruppe im Wald, Mondlicht im stillen Gewässer, die New Yorker Kneipe, in der nur geflüstert wird, tonlose Komposition 4’33“ von John Cage, Teezeremonie in Kyoto und die Erkenntnis: wo niemand redet, kann niemand dominieren.
Nach Schnupperrunde durch das Gedränge zwischen weihnachtlich geschmückten Läden und Ständen der Dortmunder Fußgängerzone hatte die kleine Wanderung entlang der Münsterstraße in der Nordstadt an diesem ersten Adventssamstag für mich einen besonderen Stellenwert. Flucht aus der vorweihnachtlichen Kommerzhektik. Hier im Programmkino „Roxy“ schien die Welt stehen geblieben zu sein, obwohl der große Projektor im Foyer längst von modernen Geräten abgelöst wurde. Und welche Wohltat, in einem der roten plüschbezogenen Kinosessel zusammen mit vier anderen Besuchern in Ruhe zu warten auf „Zeit für Stille“.
„Zeit für Stille“ am Samstag, dem 2. Dezember 2017 im Roxy Kino, Münsterstraße 95 in Dortmund