Es war ein weiser Entschluss, sich beim Besuch der Skulptur Projekte in Münster zunächst einmal auf Objekte zu beschränken, die rund um Domplatz und LWL-Museum zu Fuß zu erreichen sind. Und es war gut, zur ersten Information im Museumsshop Katalog und Karte mit den Standorten zu erwerben. Rund um den Aegidiimarkt gab es dann gleich mehrere Werke zu besichtigen. Zwei junge Künstlerinnen, die sich als Duo „Peles Empire“ nennen, haben auf dem Parkplatz des Oberverwaltungsgerichtes ein in dekorativem Schwarzweiß gehaltenes kleines Gebäude errichtet, das sie „Sculpture“ nennen. Es handelt sich um eine gekachelte Giebelfassade mit hinterem Teil, das man begehen kann. Im schlichten Innenraum steht diagonal eine Art Bar, deren Musterung mir ganz gut gefällt und an der die Künstlerinnen wohl hin und wieder Besucher zu Gesprächen empfangen. Ein rumänisches Königschloss soll für die Miniatur Pate gestanden haben, lese ich im Katalog. Und das Objekt habe auch einen Lokalbezug. Die „historisierende Bauweise“ des Münsteraner Prinzipalmarktes sei hier nachempfunden.
In der Passage auf der gegenüberliegenden Seite der Aegidiistraße entdecken wir eine Reihe von Postern, die jeweils mit einem QR-Code versehen sind. Objekte und Szenen aus Arbeit und Alltag wie die rotierende knallgelbe Bürste einer Autowaschanlage, das Einsetzen einer Kontaktlinse oder eine im Wind flatternde Plastiktüte sind da zu sehen. Nach dem Scannen der QR-Codes mit dem Smartphone werden diese Inhalte in kleinen Filmchen zum Leben erweckt. „Laboratory Life“ nennt Andreas Bunte das Werk, eine interessante Kombination aus Realität, Plakaten im öffentlichen Raum sowie digitaler Darstellung für den individuellen Abruf.
Das Ausstellungslabel mit entsprechendem Pfeil in Rot auf das Straßenpflaster gemalt lockt uns in einen Innenhof. Der Projekttitel von Koki Tanaka umschreibt schon einiges, was er in Hof und Souterrainraum eindrucksvoll präsentiert: „Provisional Studies Workshop #7 How to Live Together and Sharing the Unknown“. Menschen in Schlafsäcke gehüllt auf dem Boden einer Turnhalle und auf Stühlen um einen Tisch herum in einem großen Raum, jenseits von Alltag beliebig zusammengekommen aufgrund einer unbestimmten Situation, sei es Evakuierung, Flucht oder Sonstiges. Fremde, die zufällig einander begegnen und miteinander umgehen, erfahre ich in einer kleinen Ausstellung und in Videos.
An einem Objekt auf dem Vorplatz des LWL-Museums sind wir schon zweimal vorbei gelaufen, ehe uns klar wird, dass es sich um eine der Skulpturen handelt, eine schwarze geschlossene Holzkiste mit der Aufschrift „fragile“ auf einem riesigen Tieflader. Cosima von Bonin und Tom Burr haben dieses Objekt gestaltet. Was in der Kiste drin ist, kann sich wohl jeder selbst überlegen. „Benz Bonin Burr“ nennen die Künstler ihr ungewöhnliches Werk.
Auf dem Weg durch die Salzstraße zieht es uns unwillkürlich durch ein schönes schmiedeeisernes Tor und wir befinden wir uns auf dem kleinen Platz vor dem Erbdrostenhof, wo schon viele Menschen stehen, um ein seltsames Gebilde herum, das die Künstlerin Nairy Baghramian geschaffen hat. Das Werk „Beliebte Stellen / Privileged Points“ erinnert mich an eine Schlange in Blau, lackierte aneinandergesetzte Rohre, aus Metall lese ich im Katalog. Und der Standplatz ist ja wirklich die allererste Adresse.
Das nächste Objekt finden wir beim Gängelchen durch die Promenade auf einer schönen großen Wiese. Irgendwie sieht es aus wie ein Zelt in hellen Farben und wird von alles Seiten bestaunt. Einen Eingang sucht man vergebens. Es ist nämlich die exakte Nachbildung eines Felsens und zwar des Felsens am See in Silvaplana, der seinerzeit Friedrich Nietzsche, der sich gerne in dieser Schweizer Gegend aufhielt, zu einem bekannten philosophischen Text angeregt hat. „Nietzsche’s Rock“ nennt der Künstler Justin Matherly seine Arbeit. Da kann man nun noch einiges hinein interpretieren. Mir genügt es zu wissen, dass die Skulptur aus Beton und Glasfaser hergestellt wurde und dass sie auf einer Reihe von Gehhilfen aus Münsteraner Krankenhäusern steht.
Und dann sind wir auch schon bald wieder am Münsteraner Bahnhof, der seit vielen vielen Monaten nur von der Ostseite aus zu erreichen ist. Das heißt, mit dem Zug anreisende Besucher müssen mindestens zweimal durch einen Tunnel die Bahnlinie unterqueren. Und ich traue meinen Augen nicht, als ich am Eingang das rote Hinweislabel auf eine Skulptur entdecke. Hab ich auf dem Hinweg was übersehen? Mal genau hinschauen. Nichts Besonderes, Graffitis, Plakate, Fahrräder, alles schön bunt, selbst einige Sattelüberzüge. Die alte Frau mit Bettelbecher sitzt immer noch da und ein wenig weiter ein junger Mann, dessen Hund gemütlich auf einer Decke vor sich hinschlummert, auch mit Bettelbecher. Skulptur? Wo soll die sein? Beim Hinausgehen entdecke ich wieder dieses rote Label auf dem Pflaster. Der Pfeil zeigt in die andere Richtung d.h. auch in den Tunnel hinein. Karte und Katalog helfen weiter. Es handelt sich um die Klangskulptur „Passage through Moondog / Quiet Storm“ von Emeka Ogboh. Nun, beim nächsten Skulpturenbesuch werde ich genauer hinhören. Dann werden wir mit dem Fahrrad kommen und uns die weiter außen befindlichen Sachen anschauen.
Münster am 11. Juni 2017
Interessanter Bericht, liebe Renate!
Ein weiterer Grund, Münster zu besuchen.
Ich bin schon gespannt auf die anderen Sachen, lieber Rupi, werde dann auch wieder berichten.
Danke für den schönen Kommentar.
Ansonsten Münster: Naja, war seinerzeit seeeeehr katholisch.