Das ist Bücherprinz Ruprecht Frieling neben seinem metallenen Doppelgänger mit dem Diskos von Phaistos. Warum er diese seltsame Tonscheibe in der Hand hält? Weil er in seinem neuen Buch die Geschichte des Veröffentlichens, speziell die des von Verlagen unabhängigen Veröffentlichens, dem sogenannten Self-Publishing, aufgeschrieben hat. Bei seinen Recherchen ist er der Frage nachgegangen: Seit wann werden eigentlich Botschaften auf Materalien gedruckt und als transportable Medien von Hand zu Hand gereicht, also publiziert? Der Diskos wurde bei Ausgrabungen in der Palastanlage Phaistos auf Kreta gefunden und soll laut Frieling etwa 3700 Jahre alt sein, das heißt aus der mittelminoischen Zeit stammen. Er hat einen Durchmesser von 16 cm und ist beidseitig mit beweglichen Lettern bedruckt. Die Botschaft auf der Tonscheibe ist jedoch nicht eindeutig erschlossen. Da gebe es wilde Spekulationen, sagt der Verfasser. Ebenfalls ist nicht ganz klar, wer sie erstellt hat und für wen sie bestimmt war. Anzunehmen sei jedoch, dass es eine gebildete oder höher gestellte Person war. Frielings Exemplar ist natürlich eine Nachbildung, das Original befindet sich in einem Museum im kretischen Iraklion.
Wilhelm Ruprecht Frieling, langjähriger Verleger, erfolgreicher Buchmacher und Ratgeber für Autoren ist der Geschichte des Publizierens auf den Grund gegangen. Nicht nur diese interessante Information über die ersten beweglichen Lettern hat er für seine Leser aufgestöbert. „Weltberühmt durch Self-Publishing“ ist der Titel seines achten Ratgebers für Autoren. Da geht es um die allerersten Anfänge der Verwendung von Sprache in mündlicher und schriftlicher Form, die ersten Schriftsysteme, Beschreibstoffe von Höhlenwänden über Steinplatten bis zum Papyros, Pergament und Papier, die Entwicklung der Medien von der „Gutenberg-Galaxis“ zur „Internet-Galaxis“ und die Rolle des Buchhandels früher und heute.
Es geht auch um die „Kontrollsucht“ der Machthabenden, zum Beispiel von Kirche und Adel, denen es gar nicht recht war, wenn ihre Schäfchen und Untertanen alles lasen bzw. zuviel wussten. Sie bestimmten, wer welche Texte schrieb und lesen durfte. „Self-Publishing ist keine Erfindung der Neuzeit“ , stellt Frieling fest. An dem Punkt wird es richtig spannend. Wer weiß zum Beispiel, dass bereits im Jahre 1620 ein Autor namens Francis Bacon sein erstes Werk auf eigene Kosten publizierte? Und wie sah es um unsere literarischen Weltstars Goethe und Schiller aus? Wurden sie vielleicht von Verlegern aufgespürt nach dem Motto: Du bist ein Genie, wir wollen deine Werke veröffentlichen? Nein, sie waren überzeugt von ihrer guten Arbeit und ließen es sich nicht nehmen, den Druck erster Werke selbst zu finanzieren und an die Leser zu bringen.
Der Verfasser führt mich durch einen ganzen Reigen von weiteren weltbekannten Autoren wie Edgar Allan Poe, Hermann Hesse, Wolf Wondratschek und viele mehr, die ich vielleicht gar nicht kennen würde, wenn sie nicht ihre literarischen Geschicke selbst in die Hände genommen hätten. Und was können mehr oder weniger unbekannte Autoren daraus lernen? Aus früheren Ratgebern des Verfassers weiß ich ja, worauf es ihm ankommt. Im Mittelpunkt steht „Der große Schreibende“, also der Autor. Ohne seinen Text gäbe es kein Buch. Dessen sollte sich jeder Schreibende bewusst sein und sich sein Werk nicht aus der Hand nehmen lassen. Jenseits der Abgabe von Rechten am Manuskript gibt es inzwischen Dienstleister, die Autoren in allen Bereichen des Buchmachens helfen.
Welchen Rat ich nach der Lektüre dieses interessanten und erfrischend geschriebenen Buches mitnehme? An mich selbst glauben, mein Manuskript als wertvollen Schatz hüten und unbeirrt meinen eigenen Weg zum Leser finden.
Im Januar 2015 durfte ich Ruprecht Frieling interviewen:
Interview: „Self-Publishing ist keine Erfindung von Amazon“
Diese Rezension ist derart unterhaltsam geschrieben, dass ich mein eigenes Buch gleich nochmal in die Hand nehmen und darin lesen muss … 😉