„Viele Figuren im Buch sind verrückt …“

„Viele Figuren im Buch sind verrückt. Aber Klara nicht!“ Ja, das war Michael Klaus, als er im August 2002 nach der Lesung in einer Arnsberger Buchhandlung sein Buch „Klaras Geschichte“ signierte. Gelesen hatte er aus verschiedenen Büchern, jeder Text für sich eine literarische Kostbarkeit. Die Lesung fand statt im Rahmen des Arnsberger Kunstsommers, bei dem Michael einen Workshop leitete und ich das Glück hatte, dabei zu sein und diesen herausragenden Schriftsteller einige Tage lang aus nächster Nähe zu erleben, sei es in der alten Schule Präparandie genannt, im Café oben auf dem historischen Marktplatz oder beim verlassenen Haus in der Brückenstraße, das uns Teilnehmer zu einem Text inspirierte, den wir am letzten Abend, moralisch gestärkt durch unseren Meister der Worte, einer feinen Zuhörerschar vortragen durften. Die Botschaft, die er uns mit auf den Weg gab, lautete ungefähr so: „Denkt bei eurem Vortrag daran: Euer Text ist der beste, der jemals gelesen wurde.“ Ja, so war Michael Klaus, ein toller Schreiber und Performer und ein wunderbarer Ermutiger. Am 1. Juni 2008 starb er in seinem Heimatort Gelsenkirchen, viel zu früh mit sechsundfünfzig Jahren.

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Dazu hier mein kleiner Text, entstanden im Workshop „Kurze Texte“:

Das Haus am Brückenplatz

Brückenplatz an der Ecke Kurfürstenstraße, hier steht es und blickt mit vier Giebeln in alle Richtungen. Wo zur Herbstzeit wilder Wein bis zum Dach knallrot leuchtete, ist die Ockerfarbe am bröckelnden Fassadenputz verblasst. Vom Giebel herunterhängende trockene Äste hat noch niemand entfernt.
Knorrige Hängebirke vor Jahrzehnten am sorgsam gewählten Platz im Vorgarten gepflanzt. Jetzt wächst unter ihr Löwenzahn.
Manchmal gibt es Besuche in der Dunkelheit. Gestalten klettern über den Jägerzaun. Schleichen vorbei an der Glasveranda und der mächtigen Eingangstür mit goldenem Griff. Hinterlassen verbeultes Leergut neben einem gusseisernen schön verzierten Pfosten. Schultenbräu feinherbes Edelpils.
Kein Autogeräusch kann hier die Stille übertönen. Wo sind sie alle? Denkt die riesige Buche. Sie neigt ihre Zweige zum moosbewachsenen Dach. Hat das Warten hinter dem verlassenen Haus nicht aufgegeben. Eines Morgens werden die Fensterläden wieder geöffnet und lächelnde Gesichter blinzeln in die Morgensonne.

RH am 24. August 2002

Und hier mein Bericht von 2002:

Arnsberger Kunstsommer 2002

Danke, Michael Klaus (6. März 1952 – 1. Juni 2008) R.I.P.

Fotos: RH im August 2002 beim Arnsberger Kunstsommer

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