200 Jahre Völkerschlacht

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Vor 200 Jahren, am Abend des 19. Oktober 1813, standen drei Monarchen, Kaiser Franz I. von Österreich, Kaiser Alexander I. von Russland und König Wilhelm III. von Preußen, auf einem Hügel in der Nähe von Leipzig und nahmen nach tagelangen äußerst verlustreichen Kämpfen die Nachricht vom Rückzug der Truppen Napoleons entgegen. Vierunddreißig Jahre später, am 19. Oktober 1847 wurde auf diesem Hügel bei Leipzig ein pyramidenförmiges Denkmal eingeweiht. Mein Protagonist Theodor Althaus (1822 – 1852) war dabei und verfasste für die Bremer Weser-Zeitung einen Artikel über dieses Ereignis, in dem er die Organisation und vor allem die dort gehaltene Rede heftig kritisierte. Die Feier sei nicht dazu angetan gewesen, die tausend Anwesenden anzusprechen und auf das Wichtigste zu lenken, nämlich dass es ein Sieg der Kämpfer auf dem Schlachtfeld war und nicht das Verdienst von drei Monarchen im Glauben an Gott, wie der Redner weismachen wollte. Eine Feier für das Volk sei diese Einweihungsfeier nicht gewesen, war sein Fazit.

Als der Artikel Das Denkmal auf dem Monarchenhügel bei Leipzig am 24. Oktober 1847 im Sonntagsblatt zur Weser-Zeitung erschien, war Theodor die Aufmerksamkeit in der Stadt Leipzig gewiss. Die Empörung bei den Verantwortlichen war so groß, dass er schon fürchten musste, ausgewiesen zu werden. Seine Freunde im Museum und Café dagegen beglückwünschten ihn zu diesem klaren politischen Statement.

1847-10-24-Das Denkmal auf dem Monarchenhügel bei LeipzigAusschnitt

Hier ist ein Ausschnitt aus dem Artikel von Theodor Althaus:

Das Denkmal auf dem Monarchenhügel bei Leipzig. *)

* Aus Norddeutschland, 21. Oct. Kaum zurückgekehrt von einer längeren Reise, schreib’ ich Euch einen Bericht über die Eindrücke des letzten Tages, frisch, wie sie mich fast noch beherrschen, wie sie mir noch ganz nah sind und nicht erst mit Tagebüchern und Erinnerung lebendig gemacht zu werden brauchen. Wozu sollen wir auch Alles erst alt werden lassen, eh’ wir ihm den Schritt an das offene Licht gönnen? warum erst nach allen Richtungen hin die Sache durchspüren, alle Ecken und Spitzen abbrechen, alles Harte mildern, alles Hässliche verschönern, so daß zuletzt kein Mensch mehr weiß, was denn eigentlich die Hauptsache gewesen ist und wie es in den Momenten, die geschildert werden, durch die Nerven gezuckt hat ! Deutsches trauriges Vorurtheil, als ob das Fischblut am besten zum Beobachter befähigte! Ja, wenn dies Vorurtheil – und dies Fischblut – nicht wäre, wenn Alles was existirt und geschieht, in seiner vollen Bedeutung erfasst, durchgelebt, in die Tiefen der Seele gesenkt würde, unvergeßlich: dann müssten wir schon einen guten Schritt weiter sein, dann würden manche Worte, an die man sich längst ruhig gewöhnt hat, ein lastendes Gewicht in der Wagschale werden, und manches Ereigniß, das jetzt wie ein bloßer Nachklang vergangener Zeit unbeachtet bleibt, würde wie ein scharfer, erschütternder Ton uns in’s Herz schneiden. Setzt das Leben ein, riskirt es in Emotion zu kommen, eine Thräne im Auge zu erdrücken, mit dem Fuß zu stampfen vor Entrüstung, – denn setzt ihr nicht Euer Leben ein, nie wird Euch das Leben gewonnen sein!

Ich war dazu in der rechten Stimmung, bewegt von den verschiedensten Eindrücken und empfänglich für Alles, als ich am achtzehnten das alte Leipzig wieder begrüßte und mit Verwunderung sah, wie es sich fortwährend verjüngt und geputzt hatte in den letzten Jahren. In dem „grünen“ Böhmen, dessen Wälder aber schon in den herbstlichen Farben prangten, war ich an der Elbe und im Gebirg wochenlang gewandert, um den Staub der Arbeit ein wenig abzuschütteln, und von den hussitischen Schlachten hin durch die Jahre des dreißigjährigen Kriegs, von Prag bis Eger, bis zu Seume’s Hügel und dann bis zu den waldigen Höhen von Culm, waren deutsche Erinnerungen mir lebendig entgegengetreten. Dresden mit seinen Palästen, mit der Terrasse des allmächtigen Ministers, mit seinen schön-verwitterten Monumenten – dem Zwinger, dem Museum, den Kirchen in der fremdländischen Bauart -, war mir wie ein Bild aus dem Jahrhundert der Höfe und Fürsten erschienen, und wieder war ich in ein paar Stunden nach dem neuen glänzenden Leipzig, in das Jahrhundert des Bürgerthums und des Handels versetzt; die letzten Bretter und Budengerüste auf den weiten Plätzen sahen mich an wie Trümmer am Strand nach der großen Fluth der wogenden Messe, deren Wellen sich erst vor wenig Tagen gelegt hatten.

Mit einem lieben Freunde, der mich schon am Bahnhof empfangen hatte, wollte ich auch den anderen Morgen, der mir noch bleib, ungestört zubringen; aber seine Correspondentenpflicht erlaubte ihm nicht, das Fest des neunzehnten Octobers, die Einweihung des Denkmals auf dem Monarchenhügel zu versäumen. Mich reizte diese Feier doch auch; monatelang war ich früher in Leipzig gewesen, ohne daß mir im Drang von Arbeiten und Geschäften auch nur der Gedanke gekommen wäre, das Schlachtfeld zu besuchen, ich kannte nur zufällig Poniatowsky’s Grabmal im Garten an der Elster; – jene Zeit liegt uns ja so weit, so überwunden fern, und was sollte man auch suchen auf den weiten ebnen Feldern, wenn man sich in den schattigen Gängen des Rosenthals erholen kann? Die Feuer auf den Bergen, von deren ewiger Glut einst die jungen und verjüngten Herzen in Begeisterung redeten, sind längst erloschen, sind schon zwei Jahre nach der Völkerschlacht, am Rhein und an der Mosel polizeilich verboten, aus zarter Rücksicht für die französischen Gefühle, die vielleicht gereizt und gedemüthigt wären, wenn am Abende jener Schlachttage rings von den Bergen der Grenze die erneute Siegsfreude in das besiegte Land herübergeleuchtet hätte.

[…]

Vollständiger Artikel im Blog zur Lebensgeschichte von Theodor Althaus: Denkmal auf dem Monarchenhügel bei Leipzig

Foto: © Renate Hupfeld (Information zur Ausstellung im Innenhof des Deutschen Historischen Museums Berlin am 19. September 2013)

Die Lebensgeschichte von Theodor Althaus:

Theodor Althaus – Revolutionär in Deutschland (Kindle Shop)

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