„Was hört ihr denn so?“, hieß es eines Abends während eines mehrtägigen Workshops irgendwo im Hunsrück. „Pink Floyd“, sagte einer der Moderatoren. Nie gehört. Er legte auf. Das war anders als alles, was ich bisher kannte und was der Kassettenrekorder in meinem Auto hergab. Es war wie Schweben auf pastellfarbenen Wolken. Mit „Shine on you crazy Diamond“ durch die Weinberge im rheinhessischen Hügelland fliegen war danach angesagt. Bald kannte ich jeden Ton, jede Schleife, jedes Gitarrensolo, wartete immer wieder auf den ersten Gesangston, „Remember, when you were young…“, dann der langgezogene Refrain „Shine on…“, dieses seltsame kurze Lachen, wieder Gitarrensolo, wieder langgezogene Töne, viel länger als gewohnt. „Wish you were here“, hieß das Album. Unvergleichlich.
Das war „Pink Floyd“ Mitte der Siebziger. Zu dem Zeitpunkt gab es die Band bereits seit zehn Jahren. In einer Retrospektive im Dortmunder U mache ich jetzt multimedial eine Zeitreise zu den Anfängen und durch fünf Jahrzehnte Rockgeschichte. „The Pink Floyd Exhibition: Their Mortal Remains“. Sterbliche Überreste? Nun, der zweite Teil des Titels weist wohl darauf hin, dass die Band „Pink Floyd“ nach der Auflösung zur Legende geworden ist. Und die will ich jetzt erleben. Ticket im Giftshop kaufen und hoch geht’s in den 6. Stock des alten Brauereiturms. Handy in den Flugmodus schalten, Audioguide umhängen, Kopfhörer auf die Ohren und Pink Floyd lauschend direkt im psychedelisch bunten Gezappel der Sechziger landen. Da gibt’s Equipment, Plakate, das neongrüne Bühnenhemd mit Rüschenlatz und Fotos der vier Musiker: Nick Mason an den Drums, Richard Wright am Keyboard, Roger Waters am Bass, Gitarre und Gesang von Syd Barrett.
Die Band produzierte Single und Alben, wurde allmählich in England bekannt und angefragt. Ein Wermutstropfen lag allerdings auf diesem Erfolg. Frontmann und Songschreiber Syd Barrett erkrankte längerfristig. Verstärkung fand man in David Gilmour, der im Jahre 1968 als zweiter Gitarrist aufgenommen wurde und mit herausragender Gitarrentechnik an weiteren Erfolgen mitarbeitete. Ja, und jetzt bin ich gespannt, wie es weiter geht. Ein Zeittunnel bringt mich direkt in die Siebziger zum berühmtem Cover mit dem Lichtstrahl, der sich in Regenbogenfarben in einem Prisma bricht. „Dark Side of the Moon“, das legendäre Album wird hier multimedial zelebriert einschließlich 3-D-Animation des Covermotivs. Produziert in Londons Abbey Road Studios wurde es zu einem der größten Erfolge der Rockmusik.
Die folgende Produktion widmeten die vier Musiker Syd Barrett, der nicht mehr dabei sein konnte. Es ist noch immer mein persönliches Highlight mit „Shine on you crazy Diamond“ und dem Titelstück „Wish you were here“. An den Gitarrensoli von David Gilmour kann ich mich nicht satthören. Und überhaupt: Was für eine schöne Hommage an ihren Bandkollegen. Ja, es gibt jede Menge Equipment, Synthesizer, Mischpulte, Effektgeräte, Requisiten und vor allem Monitore, auf denen jemand zu sehen ist, der gerade spricht. Ich gehe einfach in die Nähe des jeweiligen Gerätes und höre zu, sei es einer der Musiker, Coverdesigner oder Fotografen. Es gibt unglaublich viel zu entdecken in dieser medialen Show, teils klein und fein, teils gigantisch wie der Bühnenaufbau von „The Wall“. Und da bin ich schon fast in den Achtzigern.
Das ist nun nicht mehr Syd Barretts Pink Floyd, das sind neue Wege, gesellschaftskritisch mit „We don’t need no education“, skurril bissig mit dem aufblasbaren Monsterlehrer, spektakulär mit Fotoaktionen um ein fliegendes Schwein und mehreren hundert Krankenhausbetten am Strand für Covergestaltung. Faszinierend dann das Video „Learning to fly“ auf rundem Bildschirm und „Endless River“, wo der Bootsmann versucht, mit dem Ruder im unendlichen Wolkenmeer vorwärtszukommen. Zum Schluss heißt es, Kopfhörer abnehmen und in der Performance Zone in einzigartiger Video- und Klangqualität den Live Mitschnitt von „Comfortably Numb“ im Juli 2005 bei Bob Geldorfs Live-8-Konzert in London erleben: David Gilmour an der Gitarre, Mike Mason an den Drums, Richard Wright am Keyboard, Roger Waters am Bass.
Mein Fazit: Diese multimediale Zeitreise in fünf Jahrzehnte Rockgeschichte ist ein einzigartiges Erlebnis.
Super beschrieben und toll fotografiert, liebe Renate!
Oh, danke, lieber Rupi 🙂
Ich finde es spannend, wenn zwei Autoren sich zeitgleich um ein Thema kümmern: Du schilderst deinen Ausstellungsrundgang sehr persönlich und beziehst dich auf die eigene Bio, während ich eher die journalistisch-trockene Betrachtungsweise wähle, die wesentlich nüchterner ist.
Deine Herangehensweise gefällt mit deutlich besser! 🙂