Radtour entlang der Nordseeküste

02-EmdenBinnenhafenDas Seehafenstädtchen Emden ist Ausgangspunkt für unsere Radtour entlang der Nordseeküste. Einen sonnigschwülen Sonntag haben wir erwischt, sodass nach dreistündiger Anreise vom Hammer Bahnhof über Münster und Einchecken im Hotel „Upstalsboom“ ein Besuch der klimatisierten Kunsthalle ein angenehmer Einstieg ist. Die Sammlung mit Franz Marcs „blauen Fohlen“ aus der Schenkung von Henri Nannen sowie weiterer Exponate vom Expressionismus bis zur Gegenwartskunst wird prima ergänzt durch die derzeitige Ausstellung „OTTO MUELLER – natürlich nackt“ sowie Emden-Motiven von Otto Modersohn, gute Einstimmung auf einen Bummel im mediterranen Flair des schönen Binnenhafens mit angrenzendem Rathaus, Museumsschiffen und Gastronomie.
IMG_466602-PilsumerLeuchtturm03-Greetsiel
Auch am nächsten Tag können die Jacken in der Tasche bleiben, als wir gemütlich durch die Dörfchen Larrelt und Wybelsum bis zum Siel- und Schöpfwerk Knock radeln. Wir befinden uns im Gebiet der „Deichacht Krummhörn“, die darauf achtet, dass 55 km Küstenlinie zwischen den Städten Emden und Norden durch Deiche geschützt sind. Beim kilometerlangen Befahren des Deichweges auf der Meer zugewandten Seite bekommen wir endlich das Nordseeküstenfeeling. Bei Campen müssen wir allerdings auf die Deichinnenseite wechseln und erreichen nach kurzen Fotopausen beim Campener Leuchtfeuer sowie beim schicken rotgelb gestreiften Pilsumer Leuchtturm das malerische Örtchen Greetsiel, wo wir jenseits des Touristenrummels ein feines Gartenplätzchen für Tomatensüppchen und Kaffee beim „Hohen Haus“ finden. Durch den Leybuchtpolder flitzen wir weiter bis zum heutigen Etappenziel Norden, wo wir im Hotel „Möwchen“ neben der alten Mühle unterkommen.
04-NorddeichAbfahrt05-Bensersiel06-Neuharlingersiel08-Carolinensiel
In Norddeich beginnt der Radweg direkt neben den Fähranlegern der „Frisia“ zu den Inseln Juist und Norderney. Der Blick auf den Leuchtturm von Norderney begleitet uns dann eine ganze Weile bei unserer Fahrt zwischen Deichschafen auf unserer heutigen Etappe von Sielort zu Sielort. Wir bewegen uns in einer Region, deren Bewohner ständig mit dem Kampf gegen die Flut konfrontiert sind. Siele sind regulierende Tore, durch die einerseits das Wasser vom Binnenland in das Meer geleitet wird, die andererseits verhindern, dass Meerwasser das dahinterliegende Land überschwemmt nach dem in Harlesiel gelesenen Motto „dem Lande nutz – dem Meere trutz“. In jedem Ort mit dem „Siel“ im Namen halten wir an, denn in jedem gibt es außer dem Siel und dem Wasserlauf etwas zu sehen, Strände mit Strandkörben, Spielplätze, Windsurfer, Cafés und Restaurants. Nach Neßmer- und Dornumersiel machen wir eine Kaffee- und Kuchenpause im Hafen von Bensersiel. Von hier aus gelangt man nach Langeoog. Ein paar Deichkilometer weiter heißt uns das malerische Örtchen Neuharlingersiel willkommen, von wo aus man die Insel Spiegeroog erreicht. Ein schnuckeliges Ambiente im Hotel „Hinrichs“ in Carolinensiel ist heute unser Tagesziel. Namengeberin dieses Ortes mit Sielmuseum ist Fürstin Sophie Caroline von Ostfriesland, die als Skulptur von der Brücke aus das Panorama des alten Hafens betrachtet. Abends zieht es uns dann die zwei Kilometer nach Harlesiel, wo nach all den Stunden der Ebbe die Flut nun Erwachsenen und Kindern abendlich sonnigen Badespaß beschert. Zum Abschluss gönnen wir uns vegane Leckereien im „Wattkieker“.
10-Wilhelmshaven11-WilhelmshavenWilhelm11-WilhelmshavenSuedstrand
Wilhelmshaven ist unser nächstes Ziel. Heute verlassen wir mal die Küstenlinie und radeln querfeldein Richtung Jever. Schön, ja, schön könnte es eigentlich sein. Ist es aber nicht, denn es stinkt gewaltig. Gülle, Gülle und nochmals Gülle. Nicht bei einem oder ein paar Feldern, nein, bei allen, kilometerweit, gefühlte zig Stunden lang. BÄH!!! Was denkt ihr euch eigentlich dabei, ihr Bauern? Soll ich etwa Mitleid mit euch haben? Findet akzeptable Wege aus dieser Gülleschwemme! Vor dem Backshop an einer kleinen Kirche in Jever können wir bei einem Käffchen erst mal durchatmen, bevor wir jenseits der Felder weiterfahren und an der Bockwindmühle in Accum ein nettes Bänkchen zum nächsten Picknick finden. Als dann Wolken aufziehen, machen wir uns auf den Weg und sehen zu, dass wir das „Hotel am Stadtpark“ trocken erreichen. Dass der Stadtpark etliche Kilometer außerhalb der Wilhelmshavener City und unser Hotel inmitten der Gebäude eines großen Klinikums liegt, hatten wir nicht erwartet. Egal, ein Bus der Linie 6 bringt uns bis zur Kaiser-Wilhelm-Brücke. Das Wetter hat sich gemausert, von Regen keine Spur, sondern Sonne pur, als wir den Südstrand entlang zum Helgolandkai bummeln und uns am Tickethäuschen informieren, wo am nächsten Morgen um neun die Fähre nach Edwarderhörne ablegt. Durch den preußisch akkuraten Park mit Kaiser-Wilhelm-Denkmal wandern wir zur Fußgängerzone. Der Hungerast wird hier aber nicht fündig, sondern ein paar Straßen weiter in der Virchowstraße, wo der „Bambus Palast“ mit „Caribbean Sun“ Cocktail und Gemüse aus dem Wok unsere Wünsche erfüllt.
IMG_20160728_08253811-Wilhelmshaven14-Butjadingen
Wenn man in Wilhelmshaven gut acht Kilometer vom Helgolandkai entfernt wohnt und um 9 Uhr die Fähre nach Eckwarderhörne erwischen will, heißt es zeitig packen, frühstücken und ab auf die Räder. Schaffen wir, entdecken schöne schattige Radwege, erreichen rechtzeitig den „Harle Kurier“ und eine dreiviertel Stunde später das Örtchen Eckwarderhörne in der Region Butjadingen an Jade und Weser. Dann radeln wir wieder zwischen Schafen entlang des Deiches in großem Bogen, mal innen, mal außen durch kleine Örtchen mit Kaffee- und Kuchenpause bei einem Backshop in Tossens. Eigentlich alles wie auf der Sieltour, nur hier dürfen auch Autos und Motorräder den Radweg befahren, was doch die Radelfreude erheblich beeinträchtigt. Außerdem erfahren wir, dass die Weserfähre nach Bremerhaven wegen Beschädigung des Fähranlegers in Blexen ausfällt. Und nun? Wie sollen wir über die Weser kommen? Die nächste Möglichkeit für Radfahrer sei wohl Brake, erfahren wir, ein Riesenumweg Weser rauf, Weser runter. Ach, erst mal zum Anleger fahren, mal sehen, was es da gibt. Busersatzverkehr, jede Stunde, erfahren wir noch unterwegs. Und Fahrräder? Flitz, Flitz durch Blexen zum Anleger … und siehe da: Ein Bus steht da! Und einige Radtouristen von der „Harle Kurier“ treffen wir auch wieder.
15-BremerhavenFaehre15-BremerhavenFischereihafen16-Bremerhaven18-BremerhavenAuswanderer20-BremerhavenHafenRundfahrt21-BremerhafenSchleuse
Der Busfahrer ist die Geduld in Person, Fahrräder irgendwie verstauen, bezahlen und als der Bus voll ist, gehts los. Wir ruckeln in ca. einer Stunde von Nordenham durch den Wesertunnel über Autobahn, Land- und Stadtstraßen und bekommen gleich ein Sightseeing um und in Bremerhaven. Keine Weserüberquerung, sondern -unterquerung, aber alles gut gegangen. Der nächste „Schock“ kommt im „Best Western Plus Hotel“ im Fischereihafen: Fahrräder draußen auf dem Parkplatz unterbringen. Nein, keine andere Möglichkeit. Auch da müssen wir durch. Ambiente und Zimmer mit gläserner Dusche und Weserpanorama sind schon spektakulär und welch ein Glück: Donnerstags gibt es Live Musik im Schaufenster Fischereihafen. Von der Mitte sind wir drei Kilometer entfernt, das heißt, noch mal die Zossen satteln und losfahren, um schon mal rund um das Kolumbus Center Orientierung und ersten Blick auf die Sehenswürdigkeiten zu bekommen. Kleine Pizza bei PizzAmore am Bahnhof, zurück zum Fischereihafen, Nudeln mit Gemüse, Chilisoße und Glückskeks am Thaistand, auf eine Treppe setzen und Joe Cocker Tribute von Mr. Joe hören.
Der nächste und letzte Tag unserer Nordseeküsten Radtour gehört ganz den Attraktionen dieses Ortes am Delta der Wesermündung. Er beginnt spektakulär mit dem vielfältigsten Frühstück der Reise im vorspringenden Glaspalast über dem Hafenbecken am Fischkai. Alternativ zum Rührei, Würstchen und Speck gibt es für uns gegrilltes buntes Gemüse und Champignons mit Zwiebelchen. Alle anderen Leckereien natürlich selbstredend. Das entschädigt schon fast für die Sorge um die Fahrräder, die die Nacht übrigens unbeschadet überstanden haben. Heute bleiben sie stehen. Wir wandern los in die Mitte des Geschehens, bummeln durch die Kolumbus Shopping Mall und folgen anschließend den Spuren unseres Auswanderers Friedrich Wilhelm Hupfeld, der im Jahre 1845 hier am Kai in Bremerhaven mit Vater, Mutter und Bruder ein winziges Plätzchen im Zwischendeck des Dreimastseglers „Heerjeebhoy Rustomjee Patel“ bekam und 117 Tage später im Hafen des südaustralischen Port Adelaide an Land ging. Nach dem Auswandererhaus zieht es uns zu Sushi und Algensalat in der Mall, dann Käffchen zu Füßen der Bürgermeister-Smid-Gedächtniskirche und auf zur nächsten Veranstaltung, einer Hafenrundfahrt mit „Lady Sunshine“. Was ich hier sehe und höre, bringt mich doch echt zum Staunen: Schiffe und Docks in Größendimensionen, die ich mir niemals hätte vorstellen können. Diese Kollosse für alle möglichen Zwecke wie Autotransport und Kabelverlegung wollen doch auch zum und im Ozean bewegt werden, das bringt jede Menge intelligente Planung, Arbeit und Kosten. Danach noch ein paar kleinen Schiffen beim Hochgehievtwerden in der Schleuse „Neuer Hafen“ zuschauen. Dann ist es genug, meint auch das Wetter. Die drei Kilometer zum Fischereihafen müssen wir mit Regenschirm wandern. Abendessen vom Asiaten gibt es heute am langen Tisch im Hotelzimmer. Mit Blick auf das Weserpanorama in Richtung offenes Meer lassen wir noch einmal die ganze Tour an uns vorbeiziehen. Schön war’s an der Nordseeküste!

Nordseeküstenradtour von Emden nach Bremerhaven – 24. bis 30. Juli 2016

Die Geschichte von Friedrich Wilhelm Hupfeld aus Germerode am Meißner

Auf den Spuren von Friedrich Wilhelm Hupfeld: Australien Reisebericht – Sydney bis Adelaide

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7 Antworten zu Radtour entlang der Nordseeküste

  1. M. Kreysing sagt:

    Liebe Renate,
    ein toller Bericht. Schön, dass Ihr Euren Urlaub so schön genießen konntet.
    Man möchte gleich den Weg nachfahren.
    Du solltest Deine Tourenberichte in einem Buch veröffentlichen! Du weißt ja wie das geht. Ich denke, Du würdest viele neue Radfreunde ansprechen und begeistern.
    Ich wünsche Dir noch viele schöne Touren und uns die erfreulichen Berichte.

    Herzliche Grüße
    Mariele

  2. bikingtom sagt:

    Ach ja, da kommen Erinnerungen auf! Auch ich bin auf Teilen des Nordseeküstenradwegs unterwegs gewesen! Die Landschaft, die Menschen und die tollen Sehenswürdigkeiten…das lohnt sich definitiv dort zu radeln!
    Schöner Bericht und tolle Fotos! Vielleicht interessiert dich ja auch mein Bericht? Dann schau doch mal auf meinem Blog vorbei! Viel Spaß! 🙂

    https://bikingtom.com/touren-3/

  3. Ingo sagt:

    Greetsiel ist echt schön!

  4. Jochen sagt:

    Liebe Renate,

    wie sagte schon Zapata Espinoza (ein us-amerikanischer Journalist) so treffend:

    „Fahrräder mögen sich ändern, aber Radfahren ist zeitlos.“

    Ein wirklich toller Artikel über eine schöne Radtour in meiner Meinung nach schönsten Region Deutschlands. Die Nordsee. Für mich ist die Nordsee der Inbegriff von Freiheit. Ein schönes Fleckchen… wohnhaft bin ich leider nich im Norden, aber so habe ich immer einen Grund dort Urlaub zu machen. Ich wollte auch einfach mal die Gelegenheit, indem ich hier kommentiere, um meine Wertschätzung zu äußern und über Fahrradfahren allgemein zu reden.

    In der Nordsee zu radeln ist einfach super wunderschön. Balsam für die Seele, wie ich immer zu meiner Frau sage. Gott sei Dank kann mal überall in Deutschland fahren. Am liebsten fahre ich meine Tour durch die Wälder, die ich schon als kleines Kind befahren bin. Seit gut 2 Jahren bin ich auf ein E-Bike umgestiegen, weil es für mich einfach angenehmer ist. Somit kann ich mehr Kilometer machen, und muss mich dafür nicht so auspowern. Da ich auch so gut wie immer mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren bin, habe ich mir das E-Bike als Dienstwagen geleast. Es ist ein tolles Konzept. Ich habe mich damals hier auf https://www.leasing-ebike.de/ informiert und mich dann letztlich dafür entschieden.

    Somit verbinde ich den Weg zur Arbeit mit meinem Hobby Fahrradfahren kombinieren!

    Liebe Grüße an alle! Erfolgreiches Jahr 2017! Jochen.

    • renate sagt:

      Ja, es war eine wirklich schöne Tour, lieber Jochen, und noch mal ja, in Deutschland gibt es so viel zu entdecken und mit dem Fahrrad hat man verdammt gute Karten. Ich bin auch inzwischen auf E-Bike umgestiegen 🙂

      Lieben Gruß und ein erfolgreiches Fahrradjahr 2017!

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